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Brief vom 25. Oktober 1679

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugraf Karl Ludwig zu Pfalz


5.


[003]
St Germain den 25 d’Octobre 1679.
Hertzlieb Carllutz, vergangene woche hab ich Ewer schreiben vom 22 Sept. entpfangen. Es ist mir lieb, darauß zu vernehmen, das Ihr glücklich vndt ohne purtzelbaum ahngelangt seit, aber ich hab schon Ewere ahnkunfft durch etliche schreiben von I. G. dem churfürsten erfahren. Mich deücht aber, so viel ich darauß vernehmen kan, so ist der churfürst nicht allerdings woll mitt Eüch zufrieden vndt beklagt sich, das Ihr ihm nicht nach schuldigstem respect sprecht noch antwortet, sondern das Ihr ihn ahnschnurt undt in Eüch selbsten brumbt. Vmb gottes willen, geht ein wenig in Eüch selber vndt hüttet Eüch, das Eüch Ewer leben dergleichen nicht mehr begegnet! Den außer dem, das Ihr dem churfürsten den grösten respect von der welt schuldig seit auß allerhandt ursachen, so man auch erdencken mag, so solt Ihr doch solches auch Ewer selbst wegen in acht nehmen; den denckt nur, wie viel unglük Euch auffstoßen werden, wen der churfürst nicht mitt Euch zufrieden ist! Vndt jederman wirdt Eüch noch dazu vnrecht geben; den von seinen herren muß man alles leyden vndt mitt gedult ahnnehmen, welches Eüch den noch desto leichter ahnkommen kan, in dem Ihr versichert seit, das I. G. der churfürst ahn nichts, alß was Ewer bestes sein wirdt, gedencken wirdt. Drumb vmb I. G. den churfürsten in guttem willen gegen Eüch zu behalten, so erweist ihm, das es Eüch gerewet, das Ihr ahn dem respect, den Ihr ihm schuldig seit, manquirt habt, vndt bittet vmb verzeyung! Dießes wirdt Eüch gantz keine mühe kosten; den ich kene Ewer gutt gemüthe woll vndt bin versichert, das wen Eüch ja ein wenig ungedult entfahren ist, das Ihr es nicht so böß gemeint habt; auch hab ich solches schon I. G. dem churfürsten Ewertwegen versichert. Nun Ihr aber durch dießen [004] brieff ersehen werdet, das I. G. der churfürst deßwegen ungehalten geweßen, so wirdt Eüch obgemelte vngedult nicht allein gereüen, sondern Ihr werdet solches I. G. dem churfürsten auch bezeügen. Ich gebe Eüch hir einen raht alß Ewere beste freündin, vndt wen ich (da gott für sey!) so unglücklich were, das mir dergleichen begegnet were, so wolte ich gleich auffs demütigst vmb verzeyung bitten; den ich weiß gewiß, das die gnade, so der churfürst stehts seinen kindern bezeüget vndt die vätterliche affection, so er zu ihnen trägt, werden selbst die vorsprecher sein, vndt Ihr werdt sehen, das ers Eüch mitt freüden vergeben wirdt. Das ist alles, was ich Eüch vor dißmahl hirauff sagen werde. Was unßern ahnschlag ahnbelangt, so müßen wir gedult haben; was ich wünsche, wist Ihr woll vndt ich habs Eüch offt gesagt, auch verzweiffele ich noch nicht dran. Vnterdeßen aber, das ich Eüch was gewißers vndt beßers davon berichten kan, so will Eüch, hertzlieb Carllutz, von hir was verzehlen, das Eüch divertiren möge, vndt ob mein brieff schon dadurch gar lang werden wirdt, so glaube ich doch, das er Eüch nicht desto vnahngenemer sein wirdt. Es ist mir nur leydt, das ich nicht alles schreiben kan. Wie offt hab ich Eüch zu Fontainebleau gewünscht! den abendts hatte ich schöne histörger zu verzehlen vndt ärger, alß nie; aber nun ist alles klug worden, wie Wendt Euch schon wirdt geschrieben haben. Ich hab ihm auch befohlen, das er Eüch den wunderlichen fall verzehlen solle, so der vetter Fana den tag vor der königin in Spanien abzug gethan, vndt wie er hernach alß wie ein schatten vndt toder mensch sich alebenwoll uberall eingefunden, so woll ahn der stigen, alß commedie vndt deß königs taffel. Ich dachte, monsieur le Dauphin vndt ich müsten unß kranck lachen, vndt die gutte königin in Spanien, ob sie zwar ahnfing, betrübt zu werden, konte sich doch deß lachens nicht enthalten, wen sie den menschen ahnsahe. Ich beruffe mich nochmahls auff Wendt vndt hoffe, das er Eüch einen exacten recit vom vetter Fana vndt seinen abentewer schreiben wirdt. Das best aber seindt die discursen vndt das weiß Wendt nicht. Ich darffs der feder nicht trawen. Es ist recht schadt; den Ihr würdet von hertzen lachen. Die Auster ist sehr fleißig. Ich will Eüch einen brieff von ihm schicken, so er ahn die Gredine geschrieben, welcher recht artlich ist, wie Ihr sehen werdet, vndt dabey will ich Eüch auch sagen, warumb er ihn geschrieben. Die Gredine hatt mich gebetten, das, wen ich ahn Eüch schreibe, [005] soll ich Eüch ihretwegen grüßen vndt sagen, das es ihr deücht, das ihr etwaß fehlt, das sie Eüch nicht mehr bey mir sicht. Die königin in Spanien hatt mir schon in zen brieffen befohlen, das ich Eüch ihr compliment machen solle vndt sagen, das sie Eüch gern noch einmahl sehen möcht. Maman (Ihr wist woll, wer es ist) ist jetzt ahm besten bey ihr dran. Sie hatt mir auch befohlen, das ich Eüch das ihretwegen sagen solle. Der ertzbischoff sagt mir alle tag, das ich nicht vergeßen solle, seiner zu gedencken, wen ich ahn Eüch schreibe, vndt so baldt er mich finden würdte, das ich solches thue, so wolle er Eüch auch ein par wort in meinem brieff schreiben; heütte aber hatt solches nicht geschehen können, den er ist nach Paris dießen morgen.
St Germ. den 27 October.
Vorgestern hatte ich dießen brieff ahngefangen, hab ihn aber nicht eher, alß heute außschreiben können, weillen Monsieur eben in mein cabinet hir (welches Ihr woll kent) spiellen kam, vndt gestern bin ich mitt dem könig auff die hirschjagt, alwo ich eine zeittung vernohmen, welche mich recht dauert, nehmblich der könig hatt dem armen Valbel befehlen laßen, seine charge zu verkauffen. Die vrsach dießer ungnadt ist, das der könig ihm befohlen hatte, 50 daußendt francken zu geben vndt dadurch hocher zu steygen vndt leüttenandt zu werden. Dieße leüttenantsstelle aber hatt man in zwey chargen getheillt. Valbel, der schon lang die compagni allein commandirt hatte vndt den könig sehr woll gedint, hatt sich im kopff gesteckt, das er der erste leüttenandt sein müste vndt das es ihm ein affront seye, wen man einen über ihm setzte, vndt hatt darauff zum könig gesagt mitt einen kritlichen thon, das er lieber dem könig alß ein schlechter soldat dinnen wolte, alß im dinst bleiben, wen man einen über ihm setzte. Das hatt den könig verdroßen vndt hatt gesagt, das er dießen kerl zwar estimire, aber weill er so hoffartig sey vndt meine, das er ihm ein affront thet, so möge er den seine charge verkauffen vndt hinziehen, wo er will. Ich bin versichert, das diß des armen menschen sein todt sein wirdt; den er wirdt sich unerhört zu hertzen ziehen. Er dauert mich recht; den es ist allebenwoll ein guttes blutt. Ich bin gewiß, das es Eüch auch leidt vmb ihn ist. Wie ich die zeittung gehört habe, habe ich gleich ahn Eüch gedacht; den es ist ihm eben gangen, alß [006] wie Ihr alß sagt, das wen man schon einem herren lange jahre woll vndt trew gedinnet hatt vndt das man nun meint, das man ahm besten dran ist, den muß einem nur ein ungedultig wort entfahren, vmb in unglück zu kommen vndt weg gejagt zu werden, ohne das man sich der vergangen dinsten erinert. Noch eine zeittung will ich Eüch verzehlen, so Eüch verwundern wirdt. Vergangen dinstag hilte mr Legrand vndt mess. de Vandosme ein wettrenen. Der duc de Grammont parirte vor mess. de Vandosme, vndt mr Legrand seine zwey brüder vndt noch viel andere parirten vor mr Legrand. Wir waren alle darbey. M. Legrand sein perdt rente Lavallée vndt mess. de Vandosme pferdt ein englischer laquay vom marechall de Bellefond, welcher auch vor das pferdt parirte. M. Legrand gewan. Damitt setzten wir andern unß in kutzsch vndt fuhren wider herauff, m. le Dauphin aber blieb jenseit der brück, vmb spatziren zu reitten. Indem wir weg fahren, fengt der duc de Vandosme mitt Lavallée ahn zu zancken. Chev. de Loraine, der dabey stundt, sagte halb in lacherey: Nous parions tousjours contre des gens qui n’ont point d’argent. Der duc de Gramont fengt ahn, zu murmellen. M. Legrand, der dabey stundt, sagt zum duc de Gramont: A qui en avez vous? Allons nous en et laissons finir la querelle de m. de Vandosme et Lavallé! Der duc de Gramont tritt zu m. Legrand, helt ihm die faust unterm gesicht vndt sagt: Mort d., c’est a vous que j’en veux et il y a longtemps que j’en cherche l’occassion. M. Legrand, nicht faull, hebt die handt auff vndt gibt dem andern eine dachtel, das ihm die perucke vom kopff abfehrt. Zu allem glück hatte keiner von beyden ihre degen ahn; den sie hatten sie abgelegt, umb desto beßer den wettrenern nach zu folgen. In dem augenblick aber kommen jeder freünde vndt offriren degen ahn. Andere aber, alß m. de Marsilliac, chevallier de Loraine, kommen vndt werffen sich dazwischen, vmb alles einzuhalten. In dem augenblick kompt ein escuyer vom duc de Gramont; der zicht den degen auß vndt auff den chevallier de Loraine loß vndt meinte, es were m. Legrand. Chevallier, wie er das sicht, rent er den kerl nach, welcher, so balt er ihn gesehen vndt das es nicht m. Legrand war, ging er durch. Er erdabte ihn aber noch vndt hauete im eine balaffre ins gesicht. Einer aber von m. Legrand sein leütten ging auff den duc de Gramont loß vndt wen ihm Beaumont nicht eingehalten, hette er ihn darnider gestoßen. [007] Endtlich aber riß der duc de Villeroy den m. Legrand in sein kutzsch vndt Marsillac vndt mess. de Vandosme den duc de Gramont in die ihrige vndt führten sie herauff. So baldt der könig solches vernohmen, befahl er Monsieur, sie wider mitt einander zu vergleichen vndt ihnen von seinetwegen zu befehlen, bey hartter straff nichts mehr mitt einander ahnzufangen, weder sie noch die ihrige noch ihre bedinten, vndt weillen sie den respect vergeßen hetten, den sie m. le Dauphin schuldig, vndt sich in dem selben felt gezanckt vndt gerißen hetten, so solten sie beyde in die pastille biß auff weitter ordre. Sie seindt aber nur 24 stundt drin geßeßen, den gestern abendts hatt sie der könig wider hollen laßen. So gehts hir zu, alle tag was neües vndt selten was gutts. Im überigen so spricht man noch immer von den beren, wen nichts neües vor ist; den einer ist gestorben, aber der ander ist noch in frischer gesundtheit vnd gestern abendts hatt man noch von ihm ahns königs taffel gesprochen. Noch etwaß neües: die arme Doudou hatt abscheüliche händel mitt ihrem man. Wie sie mitt ihrem schwager vndt schwester, dem duc vndt die duchesse d’Aumont, wie auch dem chevallier de Tilliadet wider auß dem sawerbrunen von Bourbon kommen, hatt sich das monster der duc de Vandatour im kopff gesteckt, seine fraw auffs landt zu führen, wo er sie woll lange gehalten hette, vndt wie er gesehen, das sein obgemelter schwager solches nicht hatt zugeben wollen (weillen dem kerleß nicht zu trawen ist, indem er schon ein mahl seiner frawen thür mitt einer pistoll durchschoßen, sie auch mehrmahls mitt bloßem degen geängstigt), hatt er sich mitt dem duc d’Aumont vndt chev. Tilliadet mitt aller gewalt schlagen wollen. Dieße aber haben ihn außgelacht. Da ist er so gifftig worden vndt hatt getrewet, das er seine fraw mitt gewalt abhollen wolle. Da ist den armen duchessen blutsbang worden vndt haben gleich einen expressen nach hoff zur marechalle de Lamotte geschickt. Selbige hatt gleich ahn könig die sache verzehlt; da hatt der könig gleich einen exempt hin geschickt (Ihr kennt ihn woll, er heist des Fourneaux vndt hatt bey der königin in Spanien zu Fontainebleau auffgewart). Den andern tag ist m. le duc de Vaudatour selber nach hoff kommen, vmb sich beym könig zu entschuldigen, vndt das endt vom liedt ist, das man sie beyde von einander scheyden wirdt; die arme Doudou aber muß vor ihr oder sein leben in ein closter, wo sie aber doch mitt ihr mutter vndt elste schwester etlich mahl wirdt [008] heraußer dörffen. Er gibt ihr 12 daußendt (ich weiß nicht, ob es daller oder francken sein) zu ihrem vnterhalt vndt nach seines oncles todt 16 taußendt. Das ist Doudou ihre gantze histori. Es ist mir recht leydt umb sie, wie ihr woll dencken könt. Es ist auch woll einmahl zeit, das ich dieße lange epistel auffhöre. Ich habe sie nicht eher endigen wollen, weillen ich persuadirt bin, das Ihr fro sein werdet, zu vernehmen, was neües hir vorgeht, nun Ihr dießen hoff so woll kent, wie auch so glaube ich, das Eüch Ewere große geschäfften zu Manheim nicht verhindern werden, einen so großen brieff zu leßen. Wen Ihr mir wider schreibt, so sagt mir doch, ob Olimpe nicht vrsach hatt, jalous zu sein, indem alte liebe sich wider verneüert, oder nicht! Ich glaub, das Ihr mich woll verstehet, ohne das ich es weitter außlege. Ich möchte auch gerne wißen, warumb baß Amelie mir nicht auff den brieff antwortet, den Ihr ihr mittgebracht habt. Sagt ihr von meinetwegen, das ich sie frage, wie es kompt, das sie meiner so gar vergist vndt das ich nichts von ihr höre! Die Woltzogin grüst von meinetwegen vndt sagt ihr, das ich ihr baldt schreiben will vndt das ich gar content von ihr bin, das sie ein praffes medel ist, so fleißig ahn mich zu schreiben! Grüst Coppestein auch von meinetwegen vndt gebt ihm part von den zeittungen, die ich Eüch schreibe, welche er auch woll gerne wißen möchte, weillen er die leütte alle kent, so woll allß Ihr vndt ich.
Je vous aduertis, que vous pouues venir en toutte seureté a St Cloud et marcher tant qu’il vous plaira sur la teste de Mad. de Fienne; car la vieille diablesse est morte. M. Legrand schreibt Eüch dießes. Ich hatte es vergeßen, sie ist in 8 tagen zeit ahn einem 3-tägighen fieber gestorben. Die duchesse de Villars ist wittwe; ihr man ist 3 tag nach md. de Fiene gestorben. Wen ich noch ein augenblick nachdencke, so wirdt auß meinem brieff ein buch werden. Es ist aber hohe zeit, das ich endige. Adieu, hertzlieb Carllutz! Seitt versichert, das ich Eüch von hertzen lieb habe vndt biß in todt Ewere affectionirte freündin verbleibe
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Brief vom 25. Oktober 1679 von Elisabeth Charlotte an Karl Ludwig zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 3–8
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0005.html
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Tintenfass