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Brief vom 1. Januar 1682

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugraf Karl Ludwig zu Pfalz


11.


[019]
St Germain den 1 Januari 1682.
Hertzallerlieb Carllutz, ma tante hatt mir geschrieben, das Ihr verwandelt seit, das Ihr in so langer zeit kein brieff von mir entpfangen habt. Dießes ist aber auß zweyen Ursachen nicht gesehen, deßen die erste ist, das ich woll weiß, das es Eüch alß gar beschwerlich ist, mitt Ewerer handt zu schreiben, drumb hab ich Eüch dieße mühe ersparen wollen; die zweyte aber ist, das ich alß gewart, biß Ihr mir auff den brieff antwortet, so ich Eüch etlich tag vorher geschrieben, ehe ich Eüch Jamin wider geschickt, vndt welcher vom 26 juni 1681 datirt war vndt worvon Ihr gar nichts gedacht in dem, wo Ihr mir auff den antwortet, so ich Eüch durch Jasmin geschrieben. Drumb fengt mir ahn angst zu werden, daß Ihr ihn nicht möget entpfangen haben; den es waren hundert naredeyen drinen, so eben nicht gutt were, das es von andern geleßen würde, alß vom vetter Fana vndt dergleichen possen; da war der brieff gantz voll von; kan mir nicht einbilden, wo er muß hinkommen sein; den auff die Hanover post hab ich noch nie keinen brieff verloren, were unglücklich, das dießer, so so doll geschrieben, der erste seye. Schreibt mir doch mitt ehestem, was Ihr davon wist, ob er in der that verloren, oder ob Ihr vergeßen habt, mir drauff zu antwortten! Gott gebe, das es daß letzte seye! Vndt in den sorgen, worinen ich bin, das er in andere hände mag gekommen sein, wolte ich Eüch woll von hertzen gerne verzeyen, wen Ihr ihn vergeßen hettet zu beantwortten. Drumb wen dem also ist, so gestehet mir es nur frey herauß! Hiemitt genung von dießem. Ich griche alle woche brieff von unßerer königin in Spanien, worinen Ewer gar offt gedacht wirdt, vndt seyder meiner reiß nach Fontaineblau vndt in Teütschlandt hab ich ihrer woll 6 oder 7 bekommen, so voller complimenten vor Eüch sein. Seyder dem ich wider hir nach St Germain nach unßerer reiße kommen, hab ich Ewer liebes schreiben vom 11 Nouember entpfangen. Ich glaube wie Ihr, das Ewere sache mitt meinem bruder entlich einmahl gutt werden wirdt vndt ich bin persuadirt, das die vissitte, so Webenheim vergangen jahr nach Heydelberg gethan, viel dazu geholffen hatt. I. G. die churfürstin, mein fraw mutter, ist gar nicht verbittert gegen Eüch; contrarie sie hatt mir gesagt, das sie Ewere geschwisterig alle lieb hatt. Carolline hatt [020] mir auch geschriben, wie ich zu Strasburg war, vndt scheindt all content von I. G. zu sein. Ich habe mein bestes gethan, umb Eüch bey mein fraw mutter zu recomandiren, ihr auch gesagt, das sie mir den grosten gefallen von der welt erweißen würde, sich Ewer ahnzunehmen, vndt das ich Ewer gutt gemüht woll kente, das, wan sie Eüch obligiren würde, würdet Ihr gar reconoissant sein, vndt das ich Eüch von hertzen lieb hette, das es mir leydt were, das mein bruder nicht auch die sentimenten vor Eüch hette, so ich habe, vndt das ich persuadirt seye, das es nicht Ewer schuldt seye, sondern daß böße leütte Eüch bey meinem bruder müsten böße officien geleistet haben, vndt das ich Eüch perfect woll kente, also woll versichern könte, das Ihr nicht capabel weret, mitt fleiß was zu thun, so meinen bruder so sehr mißfahlen könte, vndt das weillen I. G. woll wüsten, wie sehr ich meinen bruder liebte, also das, wen jemandes was gegen ihn gethan, wolte ich selbige nicht apropiren; drumb auch weillen sie sehe, das ich mich Ewer so ahngelegen sein ließe, könte sie nur woll vestiglich glauben, das Ihr nicht allein nichts gegen meinen bruder gethan, sondern auch noch gantz willens seitt, alles vergangene zu vergeßen, wofern er Eüch nur justice thet. Dießes vndt dergleichen noch viel mehr hab ich der churfürstin vorgehalten, welche alles gar genau ahngehört, vndt deücht mich, das ich sie persuadirt habe. Also, hertzlieb Carllutz, ob ich Eüch schon die zeit über nicht geschrieben, so hab ich doch nicht desto weniger fleißig ahn Eüch gedacht, wie Ihr secht; auch könt Ihr woll vestiglich glauben, das wen ich gelegenheit finden könte, Eüch zu dinnen vndt etwaß gutts zu wegen zu bringen, würde ich mich gar nicht verseümen. Ich hette woll von hertzen wünschen mögen, das es sich hette schicken können, das ich Eüch zu Strasburg hette ambrassiren können. Ich glaube, wir würden mitt einander geheüllet haben; den wie ich bey dem ocksen bin verbey gefahren, ist es mir eingefallen, wie ich I. G. den churfürsten das letzte mahl dar gesehen. Da ist mir daß flenen so greülich ahnkommen, das ichs nicht hab verhalten können, vndt der gutte Copestein vndt ich wir haben mehr alß eine stundt mitt einander geweint. Ich hab ihn gantz lieb drumb. Der arme mensch war so fro, wie er mich sahe, das er gantz bleich wie ein todt wart. Er hatt Eüch von hertzen lieb; das ist auch noch eine ursach, worumb ich viel auf ihn halte. Ich zweiffele aber nicht, das er Eüch wirdt [021] geschrieben haben alles, wie es zu Strasburg zugangen; drumb sage ich Eüch nichts mehr hievon. Weillen wir aber nun wider ein neües jahr ahngetretten haben, so bitte ich gott den allmächtigen, das er Eüch langes leben, volkommene gesundtheit verleyen möge vndt alles, waß Eüch nutz vndt seelig mag sein, insonderheit aber auch volkommenes vergnügen. Dießes ist woll zu wünschen, aber schwer zu finden. Ich vor mein theill weiß nicht, wie ich dießes ahngetrettene jahr enden werde, allein das vergangene war woll eines von den verflüchsten jahren vor mich, so ich mein leben durchbracht, auch hatt es mich so reveux vndt melancolisch gemacht, das mich schir niemandes mehr kent. Wend meinte vor ein woch 3, da ich mich waß übel befunde, das ich sterben würde, weillen, wie er sagt, ich so verendert; drumb flente er den gantzen abendt. Ich kan Eüch nicht sagen, was mich ahnligt; allein Ihr kent das landt vndt den hoff hir genung, umb zu wißen, das einem allerhandt ungerechtigkeitten widerfahren können; also auch kan einen materie genung begegenen, melancolisch zu werden, so lustig man auch von natur sein mag. Aber seyder ich verspüre, das mir dießes so sehr ahn der gesundtheit zusetzt, schlage ich mir alles so viel auß dem sin, alß mir nur möglich ist. Ja, wen Ihr hir geweßen weret, Ihr weret meinethalben doll vndt raßendt worden. Aber waß hilffts? Man muß gedult haben. Hirmitt auch einmahl genung von dießem allem! Adieu, hertzlieb Carllutz! Seitt versichert, das so lang Ihr continuieren werdet, mich lieb zu haben, daß Ihr keine trewere noch affectionirte freündin in der welt werdt haben, alß mich!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Januar 1682 von Elisabeth Charlotte an Karl Ludwig zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 19–21
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0011.html
Änderungsstand:
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