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Brief vom 25. März 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


35.


[059]

Pour mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 25 Mertz 1696.
Hertzliebe Louisse, ich beklage Eüch sehr, daß Ihr mitt flüßen auff den zänen geplagt seidt; den man sagt, es wehren abscheüliche schmertzen. Ich habe, gott sey danck, mein leben kein zahnwehe gehabt, weiß es also nur von hören sagen. Daß ich Eüch schreibe, bedarf keine dancksagung. Es geschicht gar gerne. Ich ware schon zu alt, wie ich in Franckreich kamme, umb von gemühte zu endern; mein grundt war schon gesetzt undt hiran ist gar nichts zu admiriren, liebe Louisse! aber ich were unerhört zu blamiren, wen ich falsch were undt die nicht liebte, die ich zu lieben schuldig bin. Daß Ewer hertz sich bewegt, wen Ihr meine brieffe lest, daß muß daß geblüdt thun undt seindt wir einander ja nahe genung, umb deßen regungen zu endtpfinden. Ihr habt recht, zu glauben, daß ich schreibe, wie ich rede; den ich bin zu naturlich, umb anderst zu schreiben, alß ich gedencke. Ma tante hatt die venitianische gesandtschafft auch zu Hannover gehabt; junge leütte, so erst auß dem nest kommen, scheinen allezeit einfaltig zu sein, aber man findt wenig Italliener, so es in der that sein. Wie ich sehe, so habt Ihr Ewere faßnacht all trawerig zugebracht. Ich habe meine fasten gar tawerig ahngefangen. Die gutte duchesse de Guisse, deß königs undt Monsieur baß, feu Monsieurs dochter, ist unß hir in meiner nachbarschafft in 5 tagen weggestorben; es hatt mich recht gejammert. Es ware eine rechte gutte undt gottsfürchtige fürstin. Wir [060] aßen alle tag mitt einander; meine antichambre war nur zwischen meiner cammer undt ihr cabinet, habe sie also biß in ihr endt gesehen. Sie hatt biß in dem letzten augenblick gesprochen, ist gar ruhig undt ohne regret gestorben ahn einem starcken fieber, brustwehe undt seytenstechen. Sie hatte ihren todt vorhergesagt undt woll gewust, daß sie in dießer zeit sterben würde, hatt aber nicht gesagt, woher sie es wüste. Wie sie kranck wurde, war mein sohn kräncker, alß sie, hatte ein starck continuirlich fieber mitt redoublementen und brustwehe, wie auch starcken husten. Ich habe aber nicht zugeben, daß man ihn viel medicamenten geben; den weillen ich woll gesehen, daß seine krankheit nur von unordentlichen leben käme, so er den carnaval übel zu Paris geführt, habe ich ihn nur hübsch warm halten laßen undt braff zu eßen geben laßen undt waßer drincken laßen, umb sich wider zu erfrischen. So ist mein sohn in 5 tagen wider gesundt worden. Die gutte mad. de Guisse aber, so man 6 mahl in ihrer kranckheit zur ader gelaßen, ist gestorben. Ich meinte, daß deß hertzog von Schonburg elster bruder sich gantz mißheüraht hette undt eine frantzösche singerin genohmen undt daß ihn deßwegen sein herr vatter nicht mehr hatt sehen wollen undt endterbt hatt. Die muß den schon todt sein, weillen er nun deß generals Span tochter hatt. Ich habe allezeit gehört, daß dießer graff von Schonburg seine zwey bruder nicht geglichen hatt. Warumb wolt Ihr mir, liebe Louisse, keine große brieffe schreiben? Ihr wist doch wohl, daß ich sie gerne habe undt daß sie mir allezeit ahngenehm sein. Amelise ambrassire ich wider von hertzen undt verbleibe biß in todt Eüch beyden mitt wahrer freündtschafft ergeben.
P. S.
Ich glaube, die gräffin von Leiningen mitt ihrer freüllen tochter wirdt nun baldt bey Eüch zu Franckfort sein. Es verlangt mir, zu vernehmen, waß sie Eüch werden verzehlt haben. Ich habe meine tochter heütte braff außgefiltzt; sie hatt einen starcken husten, aber nichts extraordinari dabey, weder fieber noch kopffwehe. Ich hab sie heütte gefunden, daß sie die bittern trenen weint undt meint, weillen mad. de Guisse gestorben, müste sie auch gleich sterben. Ich habe sie braff mitt außgelacht, daß sie noch so kindisch ist. [061]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. März 1696 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 59–61
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0035.html
Änderungsstand:
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