Seitenbanner

Brief vom 17. März 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


48.


[081]
Versaille den 17 Mertz 1697.
Hertzliebe Louisse, dießmahl werdet Ihr eine frische antwort bekommen; den heütte morgen habe ich Ewern wehrten brieff vom 23 Feb. st. v. zu recht in madle de Malauze paquet entpfangen. Madle de Malauze habe ich nie hönisch noch spöttisch gesehen; ihr bäßgen aber kan dießes braff, wo ich gar nichts von halte. Die gutte madle de Malausse erzeigt mir eine solche freüde, daß ich ihr schreibe undt freündtlich zuspreche, daß ich recht touchirt davon bin. Auß meinem letzten brieff, so ich Eüch durch monsr Amirault geschrieben, werdet Ihr ersehen haben, daß ich leyder deß gutten ehrlichen he. Max todt schon gewust habe, undt versichere Eüch, daß er mir threnen gekost hatt; kan also leicht begreiffen, wie es Eüch muß zu hertzen gangen sein undt auch Amelisse, daß er Eüch noch vor seinem endt geschrieben undt von Eüch abscheydt genohmen; jammert mich von hertzen. Er ist doch glücklich geweßen, zu glauben können, daß er die gutte baß Amelie in jenner welt zu sehen bekommen könte; daß hatt ihm deß todes bitterkeit versüst. Ma tante schriebe mir einmahl, he. Max heurahte sich wider, weillen er sich eingebildt, dieße zweyte gleiche der erste frawen. Ewer reflection ist woll war, daß ein freündt nach dem andern fortgeht. Wens einmahl ahngefangen hatt, kans nicht mehr auffhören. Ich habe dieße experientz leyder auch nur gar zu viel experimentirt undt gott weiß, waß ich noch täglich drüber entpfinde. Wie könt es möglich sein, daß wir alle I. G. deß churfürstens s. kinder anderst dencken können, alß daß wir alle unglücklich sein, da ja keines glücklich geworden ist! Weillen unß gott so viel undt mancherley hertzenleydt zuschickt, so scheyndt es woll klar, daß er unß nicht lustig haben will; den es ist gegen der natur, unglücklich undt lustig zu sein. In der ersten jugendt undt wen man noch nicht recht reflectieren kan, könnte es woll geschehen, daß man noch in unglück lustig ist, wen man einen lustigen humor gehabt hatt; allein wen man in meinem alter kompt [082] undt so viel außgestanden, den vergeht einem alle lust. Ander leütte, so noch unglücklicher sein, alß wir, können nicht trösten; den man kan noch förchten, auch in selbigen standt zu fallen. Mich deücht, daß nicht selber schuldig ahn seinem unglück zu sein, ist desto schlegter trost, daß man noch, so zu sagen, eine ungerechtigkeit außstehet; sich aber in den willen gottes ergeben, ist eine andere sach undt die beste parthie. Ich habe gestern ein schreiben von ma tante vom 5 dießes monats hießigen stiel erhalten. Mich deücht, ma tante ist noch in sorgen vor oncle undt trawet dem beßer werden nicht. Daß setzt mich in sorgen; den ich bin versichert, daß I. L. die sach gar genaw examiniren. Ich kan nicht begreifen, wie freüllen Offen von vatter undt mutter seytten der fraw von Degenfelt stieffschwester sein kan. Explicirt mirs doch! den ich verstehe es gar nicht. Wie ich sehe, so seindt die großen herrn in Engellandt ebenso verquackelt, alß die hertzogen hir, deren kaum zwey sein, so 4 augen erweißen können. In heürahten muß man sich selber examiniren, wie man meint, daß man ahm glücklichsten sein kan. Ich kan mir nicht einbilden, wie man Eüch raugraffliche kinder vor reich halten kan, da man doch woll weiß, wie die Pfaltz leyder ist zugericht worden. Daß Ihr Eüch nicht heürahten wolt, ohne offenhertzig herauß zu sagen, wie es mitt alles bestelt ist, finde ich sehr löblich. Es ist keine so lustige complexion, so nicht endtlich endert, wen daß unglück dawerhafft ist; kan also dem gutten ehrlichen h. Max s. kein unrecht geben, daß er trawerig geworden, noch Eüch auch. Ich weiß nicht, ob Ihr Eüch noch erinern könt, wie lustig ich in meiner jugendt geweßen; nun bin ichs gar nicht mehr, bin woll 6 wochen ohne lachen. Die made de Gouverné jamert mich von hertzen, ihre dochter noch zu beweinen; grüst sie von meinetwegen! Ich meinte nicht, daß musiq (außer etliche geigen, die acten zu unterscheiden) in den englischen commedien wehren. Die comedie ist, waß ich noch ahm liebsten von zeitverdreib habe. I. G. unßer herr vatter s. pflegte zu sagen, daß keine schönere comedien in der welt wehren, alß die englische; hoffte also, daß sie Eüch ein wenig verenderung geben würden. Die frantzösche plenipotentier seindt all lengst hir weg, aber so lang die englische nicht dazu kommen, habe ich schlegte hoffnung vom frieden. Baldt wirdt man sehen, waß auß dießem allem wehren wirdt. Auß waß ich Eüch auß Paris geschrieben, werdet [083] Ihr, liebe Louisse, ersehen haben, daß mir Paris nicht beßer, alß ordinari, bekommen ist. Nun aber bin ich, gott lob, wider in volkommener gesundtheit; gehe morgen in eine lufft, welche mir gar gesundt ist, nehmblich nach Marly. Wir werden biß auff zukünfftigen sambstag dort bleiben, den wider her; biß donnerstag werden wir nach St Clou rutzhen, also immer auff undt ab undt seindt schir unßer leben keine 3 Wochen ahn einem ort; ist mir all eins, wo ich bin, wens nur nicht zu Paris ist. Ich wolte Eüch gerne noch lenger entreteniren, liebe Louisse, allein dieß ist schon der 5te brieff, so ich heütte schreibe, also schwindelt mir der kopff ein wenig; den ich habe eine starcke vissitte von jungfer Catherin seyder 4 tagen, muß also wider meinen willen schließen; ambrassire Eüch undt Amelisse von hertzen undt werde Eüch biß ahn mein endt lieb behalten.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. März 1697 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 81–83
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0048.html
Änderungsstand:
Tintenfass