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Brief vom 4. Juli 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


61.


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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 4 Julli 1698.
Hertzliebe Louisse, den abendt vorher, wie wir hieher kommen sein, habe ich zwar Eweren lieben brieff vom 14/4 Juni entpfangen, ohnmöglich aber eher, alß heütte, antwortten können; den hir kan man nicht alzeit thun, waß man gern wolte. Ich kan nicht begreiffen, wie es kommen muß, daß meine brieffe lenger unterwegens sein, alß die Ewerige. Ewer schreiben ist just 10 tag unterwegens geweßen. Heütte morgen habe ich eines von Louisse [? Amelisse] entpfangen, so eben so lang unterwegen geweßen; den es ist vom 14/24 Juni undt ich entpfange es heütte. Mich deücht, ich habe etliche von Eüch undt Amelisse bekommen, so frischer geweßen sein. Die, so sich die sachen hir nicht so schwer einbilden, alß sie in der that sein, meinen, der könig undt der hoff seyen noch, wie sie vor dießem geweßen, aber alles ist leyder dermaßen geendert, daß wer seyder der königin todt von hoff geweßen were undt nun wider herkämme, würde meinen, er komme in eine gantz andere welt; hirauff were noch viel zu sagen, aber es ist der feder nicht zu vertrawen; den alle brieffe werden geleßen undt wider zugepitschirt. Ma tante pflegt zu sagen: Einer ist des andern teüffel in dießer welt undt daß ist woll wahr. Wir wißen woll, daß alles von gott kompt undt sein allmacht von ewigkeit resolvirt, wie die sachen sein sollen; weillen der allmachtige unß aber nicht mitt ihm [? in] raht genohmen, so lest er unß auch nicht wißen, warumb alles geschicht; müßen unß also nur seinen he. willen ergeben. Ich zweyffle gar nicht, daß Carl Moritz manche disputten mitt monsr Helmont haben wirdt zu Hannover. Ich wünsche Carl Moritz alles guts undt langes leben, allein ich zweyffle, daß er mitt aller seiner gelehrtigkeit mir jemahlen so lieb werden kan, alß mein lieber Carllutz s. mir wahr. Ich kans Carl Moritz nicht verdencken, den krieg in Ungarn zu suchen wollen. Ich hoffe zu Ewerm trost, daß der frieden mitt dem [107] Türcken möge gemacht werden. Ich bin woll Ewer meinung, daß, ob man zwar klarlich siehet, daß unß zeit undt stunde gesetzt sein, daß man doch darauff nichts wagen solle. Nach Nancy werde ich woll so baldt nicht kommen; den der gutte hertzog dortten hatt woll nicht von nöhten, daß ich ihm einen solchen unkosten mache; aber käme ich dort hin, könte Ewere reiße gar woll ahngehen; den ich wolte schon woll mittel undt weg finden, daß Ihr mich ohne ambaras sehen köntet. Meiner dochter beylager wirdt vor deß endts September nicht geschehen können; kutzschen, liberey undt waß sie von nohten hatt, kan nicht eher fertig werden, also wirdt die heimführung erst im October sein können. Jodelet sagt: Si nous estions artissans de nous meme, on ne veroit par tout que des beautes extreme; aber weillen wir es nicht sein, muß man woll bleiben, wie unßer herrgott unß hatt werden laßen. Mir gebürts nicht, nach andere leütte zu sehen, ob sie heßlich oder schön sein, nachdem mich der almachtige so gar heßlich hatt sein laßen; aber ich bin jetzt in einem alter, wo man sichs desto leichter zu getrösten haben kan, indem, wen ich schon schön geweßen were, müste ich doch jetzt schon heßlich geworden sein, geht also mitt einem hin; freylich halte ich mehr von innerlicher, alß eüserlicher schönheit. Ich habe Eüch schon letztmahl meine meinung geschrieben über die pfaren undt pfaffen, so die comedien verbietten, sage also weyter nichts drauff, alß nur, daß, wen die herrn ein wenig weitter, alß ihre naß, sehen wolten, würden sie begreiffen, daß der gemeinen leütte gelt ahn den commedien nicht übel ahngelegt ist. Erstlich seindt die comedianten arme teüffel, so ihr leben dadurch gewinnen; zum andern so macht die comedie freüde, freüde gibt gesundtheit, gesundtheit stärcke, stärcke macht beßer arbeyten; also solten sie es mehr gebietten, alß verbietten. Ihr habt woll groß recht, liebe Louisse, über solche bagatellen Eüch kein gewißen zu machen. Ich liebe die comedien sehr undt werde es nicht leicht müde. Die hitze aber ist eine gutte ursach, umb sich nicht in einen so warmen ort einzusperren. Spatziren gehen ist gesundt; mitt meiner dicken corpelentz gehe ich doch noch braff, aber daß steygen kompt mir nun schwehr ahn. Von welchem hauß ist der fürst von Siegen? Ich habe daß schlimbste gedechtnuß von der welt, alles schon vergeßen. Die fraw von Schelm bitte ich von meinetwegen zu grüßen. Ich habe ihre schwester, die Lenor, zu [108] St Clou; sie ist lustiger, alß nie; ich admirire sie täglich, wie sie noch so lustig sein kan. Es scheindt aber, wie Ihr mir von ihrer schwester Gret sprecht, daß sie es so de race haben, lustig zu sein undt gutte einfäll zu haben. Ich glaube, Ihr habt kein unrecht, erst zu sehen, wie es in der Pfaltz zugehen wirdt, ehe Ihr wider hingehet. Hirmitt ist Ewer schreiben völlig beantwortet, bleibt mir also nichts überig zu sagen, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt lieb behalte.
P. S.
Vor Amelisse gebe ich keine comission; den ich werde ihr gleich in dießem augenblick selber schreiben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Juli 1698 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 106–108
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0061.html
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