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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 12 Augusti 1698.
In dießem augenblick, hertzliebe Louisse, komme ich von
Marly ahn, wo wir 8 tag geweßen, nachdem wir durch Versaille
seindt undt der duchesse de Bourgogne undt meines sohns
gemahlin, so nicht zu Marly mitt geweßen, eine vissitte geben haben. Heütte
morgen, ehe ich von Marly weg, hatt [man] mir ein paquet mitt
zwey von Ewern lieben brieffen gebracht, ich kan aber ohnmoglich
vor dießmahl eine gar exacte antwort drauff machen; den es ist
schon zimblich spät. Vor daß keyßer Carls kopffwaßer bedancke
ich mich schon zum vorauß. Vergest nicht, dabey zu setzen, waß es
kost! werde es mitt danck bezahlen. Der postmeister von
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Franckfort muß ein gritlicher grober gesel sein, die brieffe liegen zu
laßen. Ich bin gewiß, daß wen Ihr mich jetzt sehen würdet, Ihr
mich (wo Ihr anderst Eüch meiner noch erinern könt) mehr
verendert undt veralt, alß freüllen Anne Catherin, die gutte
Wollmersheürin, finden. Ich weiß nicht mehr, von welchem hauß die itzige
landtgraffin von Darmstatt ist; bitte, mich solches zu berichten.
Seindt doch nicht so voller ceremonien, liebe Louisse, undt glaubt,
daß, weillen ich Eüch einmahl gesagt, daß Ewere schreiben mir
ahngenehm, daß es die pure warheit ist! Auff Ewer morallisch
raisonnement kan ich heütte ohnmoglich andtwortten; es ist zu spätt. Ich
schreibe in greülicher eyll, doch daß sagen, daß nicht alles golt
ist, waß glentzt, daß man ahn keinem ort in der welt weniger
thun kan, waß man will, alß hir in Franckreich, wen man
Madame ist; also werde ich woll schwerlich zu meiner dochter
kommen, wen sie zu Nancy sein wirdt. Hirauff were noch viel zu
sagen, aber die brieffe gehen nicht richtig genung, sage derowegen
nur, daß ich Eüch undt Amelisse sehr lieb habe.