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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Fontainebleau den 18 October.[1]
Hertzliebe Amelisse, es ist schon 3 oder 4 tag, daß ich Eweren
lieben brieff sambt der commedie von Carl Moritz entpfangen habe,
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habe Eüch aber ohnmöglich eher, alß nun, davor dancken können.
Ich habe sie gleich geleßen; sie endet waß kurtz, allein es seindt
sachen drinen, so nicht schlim sein, zum exempel der poet ist gutt,
der marquis ist auch nicht schlim, aber es ist kein recht endt dran.
Ich sehe woll, worauff Fagotin gemacht ist; daß ist auff Mezetin
gemacht, weillen ihn der könig in Poln zum tresorier de la
chambre gemacht hatt; die überigen personnage kan ich nicht so
woll alß dieße errahten. Wen die teütsche nicht schlimmer, alß
die frantzösche, ist, wirdt sie noch woll der mühe werdt sein, daß
man sie lest. Man schreibt mir, daß die reiß nach Preussen zu
Berlin gebrochen seye. Daß freüdt mich, daß sich weiber undt
jungfern umb unßern printzen von Birckenfelt geschmißen haben;
da will ich ihn braff mitt plagen, wen I. L. wider hir sein werden.
Waß wirdt aber Fanchon Moreau vom opera hirzu sagen, welche
dießes printzen heroine ist? Sie wirdt singen müßen, daß die
unbestandigkeit der männer ihr gemeines laster ist, aber a bon chat bon rat,
sie wirdt ihm nicht getrewer sein, alß er sie; den die dame hatt
gar eine mittelmäßige tugendt undt schlegt niemandt nichts ab. Ich
wolte, daß die teütsche fürstinen ihm die frantzösche operatrice
[2] auß
dem kopff bringen mogten. Ich habe beyde fürstinen zu Hannaw
sehr rühmen hören. Die Ratzsamsheusserin wirdt mir baldt eine
relation von dießer fürstin thun. Ich wolt I. L. nicht rahten, nach
Paris zu kommen; die wohnung ist nicht avantageuse dort vor
teütsche fürstinen; den alle damens werden pretendiren, vor sie zu
gehen, sie mögen tittel haben oder nicht. Ich glaube, daß ihr
herr, so woll weiß, wie es hir ist, ihr dieße thorheit nicht wirdt
thun laßen. Ist dieße fürstin nicht schön, so muß sie ihren beyden
herrn brüder nicht gleichen; den sie seindt beyde recht schön. Es
ißt mir leydt Ewerthalben, wen ich höre, daß alle geselschafften so
von Franckfort weg reißen; den daß gibt Eüch doch ein wenig
verenderung. Ich sehe daß kleine gräffgen von Leiningen sehr
selten, aber wen ich ihn sehe, caressire ich ihn doch sehr, filtz
ihn auch etlich mahl ein wenig. Graff Reus, so [er] bey ihm hatt,
felt nicht von verstandt, ist raisonabel. Sie seindt einmahl mitt mir
auff der jagt geweßen; selbige jagt war heßlich, wir verlohren sie.
Ich habe mitt meinen ohren gehört, daß Monsieur seinem secretaire
des comandemant, deß abé de Thesut bruder, befohlen, vor Eüch
ahn h. Obrecht zu schreiben. So baldt wir wider zu Paris sein
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werden, werde ich ahn die sach treiben. Ach, ich werde leyder biß
donnerstag wider in daß widerliche Paris undt daß liebe
Fontainebleau quittiren, welches mir woll hertzlich leydt ist; mögt drüber
flenen. Hir bin ich hertzlich gern, befinde mich immer woll hir
undt divertire mich undt in dem verfluchten Paris bin ich immer
kranck undt stehe bitter lange weill dort auß. Hertzog Christian
wirdt meinen, ich hette auß der schul geschwetzt undt Eüch sein
leben beschrieben; den ich plag ihn auch immer mitt; den ich weiß
I. L. gantze historie. Sein herr bruder hette es woll bleiben
können laßen, so einen dollen heüraht zu thun. Die lieb, so hir weg
gejagt wirdt, hatt sich, wie ich sehe, nach Franckfort retirirt.
Man rufft mir alleweil; es ist zeit, in die comedie zu gehen, muß
also schließen. Adieu, liebe Amelisse! Ich ambrassire Eüch von
hertzen undt behalte Eüch undt Ewer geschwister recht lieb.