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Brief vom 18. Oktober 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


69.


[117]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Fontainebleau den 18 October.[1]
Hertzliebe Amelisse, es ist schon 3 oder 4 tag, daß ich Eweren lieben brieff sambt der commedie von Carl Moritz entpfangen habe, [118] habe Eüch aber ohnmöglich eher, alß nun, davor dancken können. Ich habe sie gleich geleßen; sie endet waß kurtz, allein es seindt sachen drinen, so nicht schlim sein, zum exempel der poet ist gutt, der marquis ist auch nicht schlim, aber es ist kein recht endt dran. Ich sehe woll, worauff Fagotin gemacht ist; daß ist auff Mezetin gemacht, weillen ihn der könig in Poln zum tresorier de la chambre gemacht hatt; die überigen personnage kan ich nicht so woll alß dieße errahten. Wen die teütsche nicht schlimmer, alß die frantzösche, ist, wirdt sie noch woll der mühe werdt sein, daß man sie lest. Man schreibt mir, daß die reiß nach Preussen zu Berlin gebrochen seye. Daß freüdt mich, daß sich weiber undt jungfern umb unßern printzen von Birckenfelt geschmißen haben; da will ich ihn braff mitt plagen, wen I. L. wider hir sein werden. Waß wirdt aber Fanchon Moreau vom opera hirzu sagen, welche dießes printzen heroine ist? Sie wirdt singen müßen, daß die unbestandigkeit der männer ihr gemeines laster ist, aber a bon chat bon rat, sie wirdt ihm nicht getrewer sein, alß er sie; den die dame hatt gar eine mittelmäßige tugendt undt schlegt niemandt nichts ab. Ich wolte, daß die teütsche fürstinen ihm die frantzösche operatrice[2] auß dem kopff bringen mogten. Ich habe beyde fürstinen zu Hannaw sehr rühmen hören. Die Ratzsamsheusserin wirdt mir baldt eine relation von dießer fürstin thun. Ich wolt I. L. nicht rahten, nach Paris zu kommen; die wohnung ist nicht avantageuse dort vor teütsche fürstinen; den alle damens werden pretendiren, vor sie zu gehen, sie mögen tittel haben oder nicht. Ich glaube, daß ihr herr, so woll weiß, wie es hir ist, ihr dieße thorheit nicht wirdt thun laßen. Ist dieße fürstin nicht schön, so muß sie ihren beyden herrn brüder nicht gleichen; den sie seindt beyde recht schön. Es ißt mir leydt Ewerthalben, wen ich höre, daß alle geselschafften so von Franckfort weg reißen; den daß gibt Eüch doch ein wenig verenderung. Ich sehe daß kleine gräffgen von Leiningen sehr selten, aber wen ich ihn sehe, caressire ich ihn doch sehr, filtz ihn auch etlich mahl ein wenig. Graff Reus, so [er] bey ihm hatt, felt nicht von verstandt, ist raisonabel. Sie seindt einmahl mitt mir auff der jagt geweßen; selbige jagt war heßlich, wir verlohren sie. Ich habe mitt meinen ohren gehört, daß Monsieur seinem secretaire des comandemant, deß abé de Thesut bruder, befohlen, vor Eüch ahn h. Obrecht zu schreiben. So baldt wir wider zu Paris sein [119] werden, werde ich ahn die sach treiben. Ach, ich werde leyder biß donnerstag wider in daß widerliche Paris undt daß liebe Fontainebleau quittiren, welches mir woll hertzlich leydt ist; mögt drüber flenen. Hir bin ich hertzlich gern, befinde mich immer woll hir undt divertire mich undt in dem verfluchten Paris bin ich immer kranck undt stehe bitter lange weill dort auß. Hertzog Christian wirdt meinen, ich hette auß der schul geschwetzt undt Eüch sein leben beschrieben; den ich plag ihn auch immer mitt; den ich weiß I. L. gantze historie. Sein herr bruder hette es woll bleiben können laßen, so einen dollen heüraht zu thun. Die lieb, so hir weg gejagt wirdt, hatt sich, wie ich sehe, nach Franckfort retirirt. Man rufft mir alleweil; es ist zeit, in die comedie zu gehen, muß also schließen. Adieu, liebe Amelisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch undt Ewer geschwister recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Oktober 1698 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 117–119
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0069.html
Änderungsstand:
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