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Brief vom 6. März 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


73.


[123]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 6 Mertz 1699.
Hertzliebe Louise, ich habe seyder ein tag 14 3 liebe brieff von Eüch bekommen, einen durch die post, 13/23 Januar, einen durch monsieur Persius von Lohnsdorff undt vor 3 oder 4 tagen eines durch abé Thesut. Auff die ersten habe ich ohnmöglich dießen carnaval über antwortten können, war gar zu viel gethuns. Ich hette es auch heütte nicht thun können, wen unß daß schlimme wetter nicht von der jagt abgehalten hette, undt ich will mich dießen tag zu nutz machen, ahn Eüch undt Amelisse zu schreiben. Ihr könt aber woll gedencken, liebe Louisse, daß es mir ohnmöglich sein wirdt, auff alle 3 zu antwortten; nur dießes sagen, daß ich monsieur Persius eben gefunden, wie Ihr mir ihn beschrieben habt, daß mir alle Ewere schreiben sehr ahngenehm sein. Damitt ich mich aber einsmahls wider recht ahns andtwortten gewehnen möge (den ich hoffe, daß ich in der fasten mehr zeit finden werde, zu schreiben), so will ich Ewer letztes schreiben durchauß beantwortten, so ich durch den abé de Thesut entpfangen habe. Ihn selber habe ich zwar noch nicht gesehen; darff nicht zu mir kommen, biß er erst mitt deß königs minister gesprochen. Wolte gott, Ihr hettet [124] so auff der post herkommen können! Bin versichert, daß Ihr Eüch nicht bey die königliche minister würdet auffgehalten haben. Hir würde man nicht sehr verwundert sein, eine dame in chaisse de poste reißen zu sehen; den ich weiß ihrer viel, so nie anderst reißen. Ich begreife leicht, wie fro abé de Thessut sein muß, von Franckfort weg zu sein, da er kranck geweßen undt die lufft dort nicht vertragen kan. Ich kans bey mir selber abmeßen undt nur gedencken, wie fro ich immer bin, wen ich auß Paris wegfahre; den dar bin ich auch immer kranck undt habe bitter lange weill dortten. Ich werde aber leyder in ein tag 8 hin vor eben so lange zeit schir. Es ist mir schon gantz schwer drüber, aber es kan nicht anderst sein; den in der zeit wirdt der könig die duchesse de Bourgogne herführen, wo niemandes bey sein darff alß ihre damens undt die madame de Maintenon wehlet; weder monsieur le Dauphin noch keine von deß königs naturliche döchter werden hir sein dörffen. Monsieur le Dauphin wirdt mitt der printzes de Conti nach Meudon, madame de Chartre wirdt mitt unß nach Paris, madame la duchesse mitt ihrem man undt seiner gantzen famillen auch nach Paris; wen der könig aber wider nach Versaille wirdt, werden wir unß alle wider dort einfinden. Ich habe dem abé de Thesut schon wißen laßen, daß Ihr seine geselschafft regretirt. Ich halte ihn auch vor einen ehrlichen menschen; er hatt aber einen bruder, so gar nicht so woll zu trawen ist undt ein falscher gesel ist. Ihr spot meiner, liebe Louise, zu sagen, daß man meine hohen qualitetten erkenen kan. Ich kene mich selber woll, weiß also nur gar zu gewiß, daß ich keine hohe qualitetten habe, aber man muß sein, wie unß unßer herrgott gemacht hatt; kan mich keiner qualitetten piquiren, alß von hertzen auffrichtig zu sein. Es ist mir leydt, daß unßer vatterlandt sich verdirbt undt die rechtschaffene leütte auch dortten rare werden. Ihr hettet Eüch nicht schämmen sollen, dem abé zu sagen, daß der alte herr von Degenfelt die acten verlegt hatte; in seinem alter ist es erlaubt, eben kein gar gutt gedachtnuß mehr zu haben. Ihr betriegt Eüch sehr, wen Ihr meint, daß ich groß interesse in den pfaltzischen sachen habe. Mitt der zeit kans meinen kindern zu gutt kommen, aber ich werde woll mein leben keinen heller noch pfening davon zu sehen bekommen. Wie mein heürahtscontract gemacht ist, ist Monsieur herr undt meister von alles undt es hatt schon woll geschienen; den die 2 mahl [125] hundert taußendt thaller, so er schon auß der Pfaltz bekomen, hatt er verthan, ohne mir einen heller davon zu geben; also würde es, wen mehrers komen solte, nicht beßer gehen. Also fordert nur frey, waß Ihr zu fordern habt! Mir geschicht gar kein tord dabey. Vom könig werdet Ihr woll nichts bekommen, er will von kein dedomagement hören. So offt ich nach Paris gehe, ist es sicher, daß ich kranck werde, aber so baldt ich wider auß dießer bößen lufft weg bin, wirdt es mir wider woll; den ich bin gar nicht krancklich von natur. Ich muß gestehen, Paris ist mir unerhört zuwider. Mein dochter ist ein wenig beßer, alß sie, seyder sie schwanger, geweßen. Sie haben einen artige faßnacht gehalten von Turquen, Moren, alten Teutschen undt Spanier, seindt in triomphwägen durch die statt gefahren zu Nancy undt haben wägen mitt verkleyten mussicanten bey sich gehabt. Die damen saßen in den wagen undt die cavalier zu pferdt, jede quadrille umb ihre nation damen herumb; die gantze statt hatt man mitt lichter vor den fenstern beleücht. Etwaß, daß mich noch hoffen macht, daß meine dochter keine dochter bekommen wirdt, ist, daß ich noch kräncker, alß sie, war, wie ich mitt meinen elsten sohn s. bin schwanger gangen. Ihr habt woll recht, gottlob zu sagen, nicht in dem stande zu sein, so etwaß zu erfahren durch eygene experientz. Ich dachte nicht, daß die Engellander, so sonsten dolle köpff genung haben, so commode vor ihre weiber wehren; ich estimire sie drüber. Es ist den gutt, einen Engellander zu nehmen. Die hir im landt sein, seindt eben nicht so docille, müßen schon von den Frantzosen verdorben sein worden. Ihr habt mir einen rechten gefallen gethan, liebe Louisse, mir deß jungen herrn von Degenfelts relation zu schicken; finde sie sehr exact auffgesetzt vor einen so jungen menschen undt woll geschrieben. Wer sich resolvirt, zu heürahten, muß sich zu viel unglück resolviren, undt je höher man ahm bret ist, je empfindlicher seindt die unglück; den man hatt viel weniger trost, alß andere leütte; ich förchte, die gutte römische königin wirdt es baldt entpfinden. Wen man mir ihre jugendt, ihren standt undt noch dazu tonen golt deß jahrs geben könte mitt dem beding, daß ich so wie sie in stetten ceremonien leben solte, wolte ichs nicht ahnnehmen; den ich würde in 8 tagen vor lange weille sterben; grandeur halte ich vor bloße chimeren, wen keine große macht dabey ist, undt konte mich gar nicht in daß leben schicken. Gott gebe, daß [126] unßere romische königin einen andern humor alß ich haben möge! Die keißerin muß übel erzogen sein, überlautt ahns keyßers taffel zu knotern. Es hatt mich recht soulagirt, wie ich geleßen, daß der verlohrne demant widergefunden worden. Morgen wirdt es 8 tag sein, daß man hir die trawer vom churprintz von Bayern genohmen; daß hatt aber ahn kein divertissement verhindert; alle, die gedantzt, haben die trawer bey dem ball abgelegt. Der churfürst von Bayren Liebten jammert mich woll von hertzen. Ich hette nichts erfahren von waß zu Venedig bey der königin in Poln einzug vorgangen, wen Ihr mir den gefallen nicht gethan hettet, mirs zu schreiben. Sie hatt zwey ungezogene sohn; die mögen ihr woll händel in Ittallien machen. Der könig in Poln, ihr herr, war eben so karg, alß sie; darumb haben sie auch so viel bar gelt gesamblet. Ma tante, die fraw churfürstin zu Braunsweig, schreibt immer recht possirlich undt artlich. I. L. hatten mir auch geschrieben, daß ihre fraw dochter, die churfürstin von Brandenburg, Carl Moritz so lieb hatt. Schon kan ich mir ihn auch woll nicht einbilden, wen ich gedencke, wie er war, wie er ein kindt war, undt wie sein aug ist; aber ein gutt gemühte solle man doch über alles schätzen; die schönheit vergeht, daß gemüht aber bleibt. Ich meinte, ich würde heütte noch ahn Amelisse auch schreiben können, es kan aber ohnmoglich sein; bitte, macht ihr meine entschuldigung! Ein andermahl werde ich ihren brieff beantworten. Abé de Thesut hatt mir ein fläßgen in einer schachtel bracht; Ihr schreibt mir aber nicht, waß es ist; bitte, schreibt mir doch, was es ist, undt auch dabey, wie es zu gebrauchen ist! Dancke Eüch gar sehr davor. Hiemitt ist Ewer schreiben, liebe Louisse, vollig beantwortet. Amelisse ambrassire ich von hertzen undt werde vor dißmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit recht lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. März 1699 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 123–126
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0073.html
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