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Brief vom 14. April 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


77.


[131]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Port royal den 14 April 1699.
Hertzliebe Louisse, vergangen donnerstag abendts habe ich Ewer liebes schreiben vom 21/31 Mertz zu recht entpfangen, es war aber zu spät, umb drauff zu antwortten. Freitags bin ich mitt monsieur le Dauphin auff die wolffsjagt, nach der jagt seindt wir nach St Clou, umb dort biß auff zukünfftigen sambstag zu bleiben, habe mich also dort einrüsten müßen; es war auch zu spät, umb zu schreiben. Sambstag bin ich hieher undt habe ahn mein dochter geschrieben, hernach wider nach St Clou. Vergangen sontag seindt wir morgendts von halb 10 biß umb halb 1 in der kirch geweßen, nachmittags habe ich wider nein gemüst; den es ist Palmensontag geweßen, habe nur der zeit gehabt, ahn ma tante, die fraw churfürstin, undt madame de Beuveron zu schreiben. Gestern schrieb ich ahn mein dochter, ahn die hertzogin von Savoyen, ahn pfaltzgraff Christian, ein ordre ahn mein secretarius undt einen langen brieff ahn die contesse de Beuveron. Die handt wurde mir zu müde, mehr zu schreiben, habe es also auff heütte verschieben müßen. Wen ich kan, antworte ich gern exact; den mich deücht, es macht ein beßer commerce, alß wen man nicht antwort, undt ist, alß wen man mitt die, so man lieb hatt, spreche. Ihr undt Amelisse seydt woll zu beklagen, wen Ihr keine ahngenehmere zeitvertreib habt, alß meine albere brieffe zu leßen. Von Amelisse habe ich gar lang keine brieffe bekommen. Daß man einen tantzmeister beym bal aufzicht, wer nichts de consequence; wen der bal im masquen ist, thut mans allezeit; den die machen die leütte beßer dantzen; aber ohne masquen praticirt sichs nicht, es seye den, daß eine dame einen dantz dantzen wolte, so die cavalier vom dantz nicht wüsten. In dem fall kan die dame, wer sie auch sein mag, woll einen dantzmeister auffziehen; den das ist sans consequence; aber dem dantzmeister ist nicht erlaubt, sich zu den cavalliren zu setzen, alß wen er zum bal gehört, darff doch woll wider jemandes auffziehen, sich aber hernach reteriren undt nicht pretendiren, daß man ihn ordentlich wider nehmen solle. Carl Moritz hatt mir auch große complimenten durch die fraw von Ratzsamshaussen entbietten laßen. Es verlangt [132] mich, zu vernehmen, ob er content von seiner strasburgischen reiß ist. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, danckt doch Carl Moritz sehr vor sein ahndencken undt sagt ihm, daß, ob ich zwar nicht von ihm bekandt, daß ich ihn doch lieb habe undt daß er mir nahe genung ist, umb mich allezeit vor ihm zu interessiren, undt daß es mir leydt, daß ihn die curiossitet nicht gar hergeführt hatt! Wie mir ma tante, die fraw churfürstin, alß von Carl Moritz schreibt, so sehe ich woll, daß sie ihn recht lieb hatt undt die churfürstin von Brandenburg auch. Apropo von ma tante, ich bin recht in sorgen vor I. L.; den sie hatt zwey acces vom fieber gehabt mitt einem rotlauffen; nach große trawerigkeitten kommen ordinari kranckheitten undt unßere liebe churfürstin ist die jüngste nicht mehr. Ob daß fieber I. L. zwar, gott sey danck, gantz verlaßen, werde ich doch nicht in ruhen sein, biß ich erfahre, daß das rottlauffen undt kopffschmertzen auch wider gantz verbey sein mögen. Ich habe heütte zwey brieff auff einmahl von I. L. entpfangen, seindt doch lustig bey dero kranckheit; will also hoffen, daß es, ob gott will, woll ablauffen wirdt. Vom landtgraff Carl von Reinfels werde ich nichts mehr sagen, alß daß es mir leydt ist, daß er von Franckfort weg, weillen er Eüch lachen machte undt divertirte. Carl Moritz thut woll, Eüch die haußsorg zu laßen; den ich glaube, daß Ihr es beßer verstehet, alß er. Im krieg lernt man mehr verthun, alß haußhalten. Der printz von Saxsen, so hir ist, hatt mir gesagt, daß seine tante gestorben. Wie meine zwey vettern von Cassel hir weg sein, haben sie mir schon gesagt, daß ihr elster herr bruder herkommen würde; meinte, es würde eher, alß dießen sommer, geschehen. Seyter etlichen tagen haben wir eine dolle histori hir: ein conseiller de la grand chambre hatt einen von seinen gutten freünden besucht undt weillen der freündt sein naher nachbar war, wolte er zu fuß wider nach hauß. Ein großer kerl, weißgraw gekleydt, trifft ihn ahn, sicht ihn unter daß gesicht, sagt zu ihm: Ah, c’est vous, monsieur Hiket! il y a longtemps que je vous attants, schiest drauff mitt der pistol nach monsieur Hiket, die pistol fahrt ihm durch die haar, rührt ihn aber nicht. Er meint, er thete woll, sich ahnzustellen, alß wen er erschoßen were, rufft: Ah, je suis mort undt wirfft sich auff den boden. Der den schuß gethan, antwort: Tu n’est pas mort, puis que tu parle, geht wider zu ihm undt noch ein ander mitt ein grawbraun kleyd undt ziehen die [133] degen undt geben dem armen man noch 26 stich, 4 aber seindt im leib, die andern seindt nur in den kleydern. Die nachbarn lieffen herzu, man führte monsieur Hicket in seines freündts hauß. Man hofft, daß er davon kommen solle. Man hatt ihn gefragt, wer seine feindt sein; er sagt, er hette keine, alß seine fraw undt sein portner. Vorgestern wurde der portner in verhafft genohmen. Der muß auff die fraw bekendt haben; den gestern ist die fraw auch eingezogen worden. Dieß ist die neüste historie, so wir hir haben. Weillen Ihr gerne lange brieffe habet, habe ich Eüch dieße begebenheit geschrieben. Adieu! Ich ambrassire Eüch sambt Carl Moritz undt Amelisse von hertzen undt behalte Eüch alle 3 von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. April 1699 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 131–133
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0077.html
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