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Brief vom 1. Mai 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


80.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Port royal den 1 May 1699.
Hertzliebe Amelisse, vorgestern habe ich Ewern lieben brieff vom 11/21 April zu recht entpfangen. Freylich müßen etliche von Ewern brieffen verlohren gangen sein, den Louisse schriebe mir neüllich, das Ihr mir berichtet hettet, wie deß keyßers Carls kopffwaßer zu gebrauchen seye; dießen brieff habe ich auch nicht entpfangen. Ich kan nicht begreiffen, wie es kompt, das ich Ewer schwester brieff richtiger entpfange, alß die Ewere, liebe Amelisse! den ich glaube, daß Ihr sie beyde doch ahn einem postmeister schickt. Jedoch so ist es gar wahr, das ich keines von den Ewern entpfangen habe, worauff ich nicht geantwortet habe, undt gar lang geweßen, ohne von den Ewerigen zu entpfangen; habe endtlich ahn Louisse die ursach deßwegen gefragt. Ihr habt woll groß recht, liebe Amelisse, zu glauben, daß ich nicht ohne ursach capabel bin, zu endern. Ihr seydt auch gar zu raisonabel, umb mir waß zu schreiben, so mich verdrießen könte; aber wen es auch [137] gleich möglich geweßen were, so würde ich doch deßwegen nicht auffgehört haben, zu schreiben, sondern ich würde Eüch gantz offenhertzig herauß gesagt haben, mir nicht davon zu schreiben; den protzen ist meine manir gantz undt gar nicht; also habt Ihr, liebe Amelisse, groß unrecht gehabt, Eüch zu quellen. Daß kompt aber nur daher, daß Ihr Eüch meiner nicht genung erinern könt undt zu Ewerm glück gar zu jung wahret, wie ich auß der Pfaltz weg bin, umb Eüch meinen humor recht zu erinern; den sonsten würdet Ihr woll wißen, daß mir nichts beßer gefehlt, alß wen die, so ich lieb habe, frey undt offenhertzig mitt mir sprechen, wie Ihr thut, liebe Amelisse! Drumb bitte ich Eüch, last Eüch doch hirin nie irren undt glaubt nie, daß ich übel zufrieden mitt Eüch bin, biß ichs Eüch selber schreibe! Freillich müßen Ewere brieffe in andere hände gerahten sein, weillen ich sie nicht entpfangen habe. Wie macht es aber Louisse? den ihre brieffe werden nicht verlohren. Fragt sie doch, wie sie es macht! Ma tante kranckheit hatte mich auch in rechten sorgen gesetzt. Gott seye danck, daß es verbey ist! Ohrensaußen kompt nicht allemahl vom alter, ist aber, gott sey danck, nichts gefährliches. Ich weiß leütte, so es über die 20 jahr gehabt haben. Gott der allmächtige verley, daß I. L. ma tante, die fraw churfürstin, es noch so lang haben mögen! I. L. haben Carl Moritz recht lieb, wundert mich also gar nicht, daß sie ihn zu sich wünschen. Lenor ist sehr von seinem verstandt charmirt. Lenor, unter unß, hatt allezeit mehr verstandt gehabt, alß ihre schwester, die fraw von Schelm, aber sie ist ebenso naturlich undt nimbt, wie man sagt, gar kein blat vors maul. Sie wirdt nun baldt wider zu unß kommen. Ich werde sie vielleicht wider zurück begleidten; den wens der könig erlaubt, wolte ich gern zu meiner dochter kintbett; den die ist ein wenig neü in dießem handtwerck, mögte also gern zu ihr. Ich glaube, daß die comedie, so Carl Moritz machen wirdt, possirlich werden solle; werdet mir also einen großen gefahlen thun, selbige zu schicken. Wen daß buch, wovon Ihr mir geschrieben, nicht außgeschrieben ist, so schickt mirs nicht! den daß erstickt mich, wen ich ein buch leße, so nicht außgemacht ist. Ich habe vor dießem einen Loudolff hir gesehen mitt einer rohten peruke, ein gar magerer kerl; der war aber ein rechter außbündiger narr; den würde der könig von Poln nicht zum ressidenten genohmen haben. Jedoch waß Ihr mir von dießem sagt, ist eben auch nicht [138] zum gescheütsten, daß er heüschrecken vor wachteln zu eßen gibt. Hir haben wir nun gar nichts neües. Mein sohn hatt mir seyder 8 tagen her greüliche ängsten eingejagt; vor 8 tagen stieß ihm ein fieber ahn, daß wurde fiévre continüe avec 3 redoublements par jour; daß kan ich nicht auff teütsch sagen, habe alle Teütschen, so hir sein, gefragt, wie man es auff teütsch sagt; niemandes hatt es mir sagen können. Damitt ich aber wider auff meinen sohn komme, so habe ich nicht leyden wollen, daß man ihm weder zur ader laßen möge, noch einig remedium geben, ist auch, gott lob, so wider gantz geneßen. Junge leütte, insonderheit hir im landt, wollen alß stärcker sein, alß sie in der that sein, divertiren sich zu viel undt matten sich ab, biß ihnen daß fieber drüber ahnkompt; lest man sie zur ader, müßen sie sterben; braucht man ihnen andere remedien, haben sie die stärcke nicht, es außzustehen; also gedult undt sie außruhen laßen ist daß beste remedium. Mein sohn ist so woll jetzt wider, ob es zwar nur 4 tag ist, daß ihn daß fieber quitirt, alß wen er nicht kranck geweßen were. Wie ich sehe, so ist daß dantzen noch gar im schwang in Teütschlandt. Ich zweyffle sehr, daß es war ist, daß der graff von Waldeck die princes von Birckenfeldt bekommen wirdt. Ihr herr vatter undt herr bruder seindt meine gutte freünde; die haben mir nichts davon gesagt. Wo musiquen in den kirchen sein außer bey hoff, da gehe ich nicht hin; den es werdt zu lang. Ich halte vor lang, wen ich zwey stundt in den kirchen bin; wo aber musiq ist in der carwochen, da wehrt es 4 undt 5 stunden; daß ist meine sache gar nicht. Hir im landt hatt man keine heylige gräber undt in Teütschlandt haben die catholischen viel albere possen, wo man hir nur über lacht. Carl Moritz ambrassirt von meinetwegen undt danckt ihn vor sein ahndencken! Er solte sich vor die geselschafften hütten, wo man sauffen muß; daß macht eine schlimme gewohnheit undt bringt sein leben nichts gutts mitt sich. Die mathematiquen stehen leütte von qualitet woll ahn; bin fro, daß Carl Moritz sich drauff gelegt hatt. Solte ich in Lotheringen dießen herbst gehen, so könte Carl Moritz zu Bar zu mir kommen, weillen er sich doch scheüt, in Franckreich zu kommen. Sagt ihm dießes von meinetwegen! Hirmitt ist Ewer brieff von wort zu wort beantwort, nur daß noch sagen, daß mich Paris dieße reiße sehr übel tracktirt hatt, befinde mich recht übel; morgen aber werde ich, wilß gott, wider weg, also wirdt es baldt [139] wider beßer mitt mir werden. Wünsche, daß Eüch dießer brieff in volkommener gesundtheit finden möge undt daß Ihr persuadirt sein möget, liebe Amelisse, daß ich Eüch recht von hertzen lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Mai 1699 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 136–139
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0080.html
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