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Brief vom 19. Mai 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


82.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 19 May 1699.
Hertzliebe Amelisse, vor 3 tagen habe ich Ewer schreiben vom 25 April – 5 May entpfangen, aber nicht eher, alß nun, beantwortten können; den wir haben alle tage gar viel leütte gehabt, so unß complimenten gemacht undt glück gewünscht wegen der gebuhrt des printzen von Savoyen, haben auch gar viel brieffe dorthin schreiben müßen. Gestern fuhr ich nach Paris, also keinen tag überig zum schreiben gehabt, alß heütte. Es ist war, daß ich nie zu Paris sein kan, ohne mich übel zu finden, fahre auch nie von hir hin, ohne kopffwehe zu bekommen. Mein sohn ist, gott sey danck, wider in volkommener gesundtheit, hoffe also, daß es nach dem englischen sprichwort königlich ablauffen wirdt, sage Eüch sehr großen danck, liebe Amelisse, vor Ewere gutte wünsche hirzu. Mein sohn wirdt erst nach Pfingsten in Lotheringen zu seiner schwester. Es ist mir recht unglücklich mit dem keyßers Carls kopffwaßer gangen; ich wolte es richen undt auß dem schranck herauß nehmen, wie ichs aber lange, wurde ich nicht gewahr, daß eine andere boutteille von Reine d’Hongrie mir an dem ermel hencken bleibt, undt wie ich heraußziehe, schlegt eine bouteille ahn die ander undt brechen beyde so geschwindt, daß mir nur der obertheil in der handt [141] bleibt; hatt mir also zu Paris nicht nutzen können. Abé de Thessut ist gar gewiß nichts übelles zuzutrawen; er hatt es gar woll gelieffert. Der könig (unter unß gerett) will nicht, daß Monsieur sach durch seine leütte solle fortgeführt werden, sondern durch deß königs seine; also wirdt abé de Thesut nicht wider nach Franckfort. Er selber hatte gemeint, widerzukommen, undt Monsieur war es auch willens; des königs befehl hatt es aber geendert undt deß königs bruder hir im landt hatt keinen andern willen, alß des königs seinen. Waß ist es, liebe Amelisse, wovon Ihr melden wolt undt es nicht sagt? Schreibt mirs nur recht herauß undt seydt versichert, daß alles, waß auß freündtschafft gesagt wirdt, mir niemahlen mißfahlen kan! Monsieur d’Iberville kene ich nicht, glaube nicht, daß ich ihn mein leben mehr, alß einmahl, gesehen habe, kan Eüch also gar nichts von ihm sagen. Wen Ihr daßelbige wetter zu Franckfort hettet, alß wir dießen gantzen frühling durch außer gestern undt heütte hir gehabt haben, so würdet Ihr nicht haben spatziren fahren können; den wir haben nichts alß windt undt regen gehabt undt war dabey recht kalt wie zu endt deß herbst. Daß carttenspil undt insonderheit daß landtsknecht richt dolle handel hir ahn; seyder dießen winter seindt 4 wackere offecirer in einer solchen verzweyfflung geratten, daß sie sich selber umb leben gebracht haben. Der letzte, so sich mitt seiner eygenen pistol erschoßen, war ein Lotheringer, hieß monsieur de Permilliac, schiene ein gescheyder mensch zu sein, hatt mir vor 6 wochen brieff von meiner dochter gebracht, war cammerjunker bey dem hertzog. Dieße 4 officirer hetten beßer gethan, sich bey den teütschen zeitvertreib zu halten undt spielger zu spiellen undt milch zu trincken, so wehren sie nicht in die verzweyfflung gerahten, sich selber zu erschießen undt zu vergifften, wie dieße gethan haben. Ma tante, die fraw churfürstin, hatt mir geschrieben, daß Carl Moritz nun bey I. L. ist. Kan der kleine churprintz von Brandenburg schon brieffe schreiben? Daß nimbt mich wunder, er ist doch ja noch gar ein kindt. Man sagt hir, der könig in Schweden wolle die churprintzes von Brandenburg nehmen; wen dem so ist, glaube ich, daß der churfürst, ihr herr vatter, lieber eine königin, alß margraffin, auß I. L. machen wirdt. Ich kan nicht glauben, daß könig Wilhelm sich sein leben wider verheürahten wirdt; hatt genung mitt seinem parlement zu thun, ohne sich noch mitt einer gemahlin [142] zu beschwehren. Die englische nation ist widerlich mitt ihrer großen falschheit undt unbestandigkeit. König von Engellandt jammert mich, in solchen händen gefahlen zu sein; den wen er mitt seinem verstandt könig von einem andern volck geworden were, glaube ich, daß er eine glückliche regirung würde gehabt haben. Ich kan nicht begreiffen, liebe Amelisse, wo Ewere andere brieffe müßen hingekommen sein; den ich habe sie noch nicht entpfangen. Der junge graff von Nassau ist noch nicht hir ahnkommen. Ich erinere mich nicht mehr, den graffen von Nassaw undt unßern graffen von Sarbrucken hir gesehen zu haben; es ist aber kein wunder; den ich habe daß schlimbste gedachtnuß von der welt. Daß unßer graff von Sarbrucken geheüraht ist, habe ich gar nicht gewust, erst durch Ewern brieff erfahren. Ich glaub, er fürcht, ich werde ihn außlachen; den er hatt alß sehr versichert, daß er sich nicht heürahten würde. Es verdriest mich recht, wen ich höre, daß die mißheürahten in Teütschlandt einreißen, insonderheit wen es in so vornehme heüßer einreist wie die graffen von Wittgenstein. Ich glaube, in ein tag 14 werden wir die Rotzenheüsserin wider hir haben. Unßer teütsche gräffen undt graffinen thun gar dolle heürahten, wie ich sehe; da konte man auff singen, wie in den teütschen possenspiel: O Pfudian, hinauß, hinauß mitt dir, pfui, pfui, o Pfudian hinauß undt all, die solche sein! Es wirdt recht woll ahngewendt sein, wen es allen den interesheürahten übel gehen wirdt. Last Eüchs nie gerewen, liebe Amelisse, lange brieff zu schreiben! den ich habe sie recht gern so. Wen Ihr meint, daß ich importanten affairen habe, betriegt Ihr Eüch woll sehr, liebe Amelisse! Niemandes in der welt hatt deren weniger, alß ich. Noch eine sach, die mir nicht gefelt, ist, wen die uhralten graffen sich zu fürsten laßen machen; daß ärgert mich auch. Last Eüch nicht bang sein! Ich werde dem graffen von Nassau nichts sagen, so Eüch wirdt handel können machen; den ich piquire mich von discretion. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben durchauß beantwortet. Ich werde noch ein par wordt ahn madame de Beuveron schreiben, hernach ein wenig spatziren gehen; den es ist heütte zimblich fein wetter. Adieu den, hertzlieb Amelisse! Ich ambrassire Eüch undt Louisse auch undt versichere Eüch, daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt all mein leben behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Mai 1699 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 140–143
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0082.html
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