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Brief vom 26. Juni 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


88.


[156]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 26 Juni 1699.
Hertzliebe Amelise, vorgestern abendts alß ich von Paris weg fuhr, entpfinge ich Ewern lieben brieff vom 6/16 dießes monts; habe von hertzen lachen müßen, daß Ihr so rühmblich findt, daß ich ordendtlich auff Ewere brieffe antworte. Ihr habt gar woll gethan, [157] dem tropffig sein, auffzusagen; den daß frantzösche sprichwort sagt: Qui ce fait brebis, le loup le mange. Carllutz hatte Eüch den nahmen von Albertingen auffgebracht. Es ist woll war undt nur zu war, daß die welt so schlim ist, daß, wen man sie einmahl kent, hatt man mühe, bey der gütte zu bleiben, undt wen man noch so viel augen undt ohren hette, alß man hatt, wehren deren noch nicht genung, umb alles zu lehren undt in acht zu nehmen, waß man notwendig wißen soll. Wen man ahnfangt, waß zu wißen, ist daß halbe leben fort, also ein ellendt sach umb unß arme menschen. Aber daß zeügnuß kan ich Eüch mitt warheit geben, daß ich mein leben nicht gedacht hette, daß Eüch so viel vivacitet kommen solte, alß ichs in Ewern brieffen verspüre; müst also sehr zu Ewer avantage geendert sein. Die jungen graffen von Nassau haben mir vorgestern au Port royal eine vissitte geben, ich habe sie aber nur ein augenblick gesehen, den ich hatte den tag viel zu schreiben nach Nancie undt nach Modene. Ich habe aber doch gleich gehoffmeisterirt, welches dem hoffmeister sehr einen großen gefahlen gethan; den die junge bursch hatten ihm nicht glauben wollen, waren gantz penau; es war nur eine bagatelle, sie wollten stöck tragen; daß stehet jungen leütten übel, die macht ich weg thun. Ich bin fro, daß ihre fraw mutter so woll zufrieden mitt mir ist. Wolte gott, liebe Amelisse, ich konte so glücklich sein, Eüch undt Ewere geschwister in etwaß zu dinnen, so danckens werdt sein könte! So glücklich aber bin ich leyder bißher noch nicht geweßen. Ewer memorial habe ich schon ahn cantzler Scradt recomandirt. Ewer erster bogen ist all serieux, aber deßwegen nicht abgeschmackt. Ich muß nun, waß serieux ist, nicht mehr blasmiren; den ich bins unerhört geworden, man lernt hir braff sein. Die fraw von Ratzamshaussen ist zu Nancie, wirdt in 8 tagen hir sein. Mein dochter hatt sie nicht ehr von sich laßen wollen; den sie hatt sie sehr lieb. Ihr habt ja Lenor hundert undt hundert mahl gesehen. Wie kent ihr sie den nicht? Augustin Weninger thut woll, nicht mehr zu sauffen; den nichts ist abscheülicher. Ich höre nie Manheim nenen ohne seüfftzen. Mein gott, wie hatt mich der ort gejammert! Ich kans dem jetzigen churfürsten nicht gutt heißen, so einfaltig in der religion zu sein undt die Juden den Christen vorzuziehen. Die werden woll thun, nachts zu stehlen, waß sie tags geben. Hirmitt ist Ewer [158] liebes schreiben beantwort. Es ist auch jetzt spatziren zeit. Adieu dan, liebe Amelisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Juni 1699 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 156–158
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0088.html
Änderungsstand:
Tintenfass