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Brief vom 7. August 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


93.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 7 Augusti 1699.
Hertzliebe Amelise, vorgestern, wie ich eben in kutzsch saß, umb herzukommen, entpfunge ich Ewer schreiben vom 20/30 Julli. [168] Gestern fuhr ich mitt dem könig auff einer reveüe von seiner leibquard, heütte stehle ich, so zu sagen, eine stundt, umb zu schreiben; den ich bin schon zu St Germain geweßen, habe dort von den englischen königlichen personnen abschiedt genohmen; den mein reiß nach Bar, welche so offt ahngefangen undt wider eingestelt worden, wirdt endtlich einmahl volzogen werden, es sey dan, daß seyder jetzt undt biß sontag über 8 tag noch eine verhindernuß dazwischen kommen möge, so man jetzt nicht vorsehen kan. Ich werde den 16 auffbrechen undt hoffe, den 18 zu Bar zu sein; den ich gehe mitt viel relais. Monsieur wirdt mich hernach dort abhollen kommen. Ich fürchte, daß ich Eüch nicht eher wider werde schreiben können, noch ahn Louisse, biß ich wider von meiner reiße werde kommen sein; werde alßden wider einbringen, waß ich auff meiner reiße werde verseümbt haben. Seyder meiner reiße, wovon ich Eüch geschrieben hatte, die ich nach Maubisson gethan, habe ich I. L. ma tante, der fraw abtißin, noch eine vissitte geben undt, gott seye danck, I. L. noch frischer undt lustiger gefunden, alß die andere reiße. Sie ist lustiger, hatt mehr vivacitet, sicht, hört undt geht beßer, alß ich, undt all ebenwoll ist sie just 30 jahr älter, alß ich; den den 11 April seindt I. L. 77 jahr alt worden; ich hoffe also, das sie noch lang leben wirdt. Sie mahlt jetzt ein schön stück vor ihre fraw schwester, unßere liebe churfürstin zu Braunsweig; es ist daß gegoßene kalb, nach dem Poussin. Sie wirdt ahngebett in ihrem closter, führt gar ein streng, aber doch ruhig leben, ist nie kein fleisch, sie seye dan gar kranck; sie ligt auff harte matrassen wie ein stein, hatt nur strostuhl in ihrer cammer, steht umb mitternacht auff, umb zu betten. Vor dießem gliche ma tante, die fraw churfürstin, gar nicht ahm churfürsten s.; wundert mich, daß sie ihm nun gleicht. Mein gott, liebe Amelisse, Ihr müst Eüch selber gar nicht mehr gleichen, wie Ihr ein kindt wahret, wen Ihr der königin, unßer groß fraw mutter, gleicht. Ich erinere mich ihrer noch, alß wen ich sie heütte gesehen hette; allein sie hatte ein gantz ander gesicht, alß Ihr, wie Ihr ein kindt waret; den da hattet Ihr blunde haar, ein breit gesicht undt schonne farben; die königin in Böhmen aber hatte schwartze haar, ein lang gesicht, stracke naß, suma, gantz ein ander art von gesicht. Der churfürst, unßer herr vatter s., gliche der königin, seiner fraw mutter, viel. Wen man geschwindt schreibt, setzt [169] man leicht ein wort vors ander, allein daß ist nicht übel geschrieben. Waß vor Frantzößin kent Ihr den, wo Ihr ahn schreibt, lieb Amelisse? Den außer die gutte mademoiselle de Malauze dachte ich nicht, daß Ihr frantzosche leütte kent. Gezwungenheit ist contrainte undt nicht affectation, aber daß rechte wort hirvon auff teütsch weiß ich nicht. Habt Ihr niemandes von der fruchtbringenden geselschafft zu Franckfort, dem mans fragen könte? Es kan auch nicht steiffigkeit sein; den viel affectirte leütte halten sich nicht steiff, sondern threhen sich undt wispeln den gantzen leib ohne auffhören. Ich kan nicht begreiffen, wie es möglich sein kan, mehr alß eine sprach zu reden undt neben seiner muttersprach zu behalten. Ma tante von Maubisson kan leichter englisch, alß teütsch, behalten; den alle tag kommen Englender zu I. L.; sie hatte auch englische nonen im closter. Die gräffin von Traun ist zu beklagen; were sie hir, sagte man, sie hette vapeurs. Ich wuste nicht, das der graff von Benebourg geistlich ist. Die Jessuwitter haben ordinari verstandt. Die zu große devotion macht manche zu nahren; ich glaube nicht, daß ich jemahlen hirvon närisch werde. Der Jessuwit hatt recht, nicht zu leyden, daß die gräffin Traun ihren dement vor ein gemähls gebe. Die keyßerin hatt vielleicht ihr wacksen heylligbildt ins fewer geworffen, wie sie gesehen, das es von sich selber auffhörte zu brenen. Der conte de Rouy ist wider heill. Ich halte auch viel von milord Feversham, ist der beste von seinen brüdern. Mademoiselle de Malausse hatt mir auch madame de Mazarin todt beschrieben, sie ist mitt großer fermeté, aber schlechten glauben gestorben. St Evremont solle hertzlich betrübt sein. Er wirdt sie woll baldt folgen; den er solle nahe, wo nicht gar über die 90 jahr alt sein. Das sauffen ist gar gemein bey die weiber hir in Franckreich undt madame de Mazarin hatt eine dochter hinterlaßen, so es auch meisterlich kan, die marquisse de Richelieu. Hirmitt ist Ewer schreiben durchauß beantwortet, undt weillen ich heütte schon außer dießem 4 große brieff geschrieben, ist mir die handt ein wenig müde, muß derowegen schließen. Ambrassirt Louisse von meinetwegen undt seydt versichert, daß ich Eüch alle beyde recht lieb habe!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. August 1699 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 167–170
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0093.html
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