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A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 18 Augusti 1699.
Hertzliebe Louisse, ich habe Ewern lieben brieff vom 25 Julli
– 4 August schon vor etlichen tagen entpfangen, aber ohnmöglich
eher, alß heütte, drauff antworten können; den ich war gar zu
betrübt, daß meine reiße nach Bar entlich gantz zurückgangen.
Ob mir zwar diß landt woll genung bekandt undt leyder nur gar
zu woll weiß, daß man sich hir auff nichts, so einem ahngenehm
sein kan, spitzen muß, so muß ich doch gestehen, daß ich gemeint,
dieße reiße konte nicht mehr fehlen, indem der erste relais von
kutzschenpferden schon weg war geschickt worden; der teüffel aber,
so nie ruhet, wen er einem kan ungedultig machen, hatt unß eine
verfluchte ceremonie in den weg gebracht, so meine reiße leyder
gantz gebrochen. Aber last unß nicht mehr hirvon reden! den
es macht mich nur trawerig. Ich komme auff Ewer schreiben. Ich
dancke Eüch, liebe Louisse, vor die mühe, so Ihr genohmen, nach
Hollandt durch die Wollmersheüsserin ahn graff von Ussingen zu
berichten, waß ich Eüch gebetten, ihm zu sagen. Graff Lutz
werde ich meinen gruß baldt selber sagen können, weillen er
herrein in Franckreich kompt. Er hatt recht, mehr im heürahten
auff ein gutt gemühte gesehen zu haben, alß auff schönheit; dießes
letzte vergeht baldt, ein gutt gemüht wehrt aber, so lang man lebt.
Ahngenehm undt ein gutt gemühte ist im heürahten der schönheit
weit vorzuziehen in meinem sin. Es geschicht offt, daß schwester
undt bruder einander in gar nichts gleichen; nimbt mir also kein
wunder, daß die gräffin von Hohenlo undt der graff von Castel
einander nicht gleichen, ob sie zwar brüder undt schwestern sein.
Ich habe alzeit hören sagen, waß Ihr mich hirmitt bestättiget,
nehmblich daß graff Castel ein falscher interessirter herr seye.
Unßer graff von Nassau undt die hohenloische graffen seindt den
dopelt verschwägert. Ist graff Lutz fraw mutter nicht auch eine
gräffin von Hohenlo? Mich deücht, wo mir recht ist, so ist sie es
auch. Graff Lutz wirdt estimirt von alle die, so ihn kenen. Es
war zeit, daß der kleine krieg zwischen dem graffen von Nassau
Weilburg undt dem landtgraffen von Darmstadt zu endt ging; den
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offt ein klein fewer einen großen brandt verursachet. Ich habe der
Lenor in Ewerm brieff gewießen, wie ihr bruder, der Augustin,
schir versoffen were. Ich weiß schir nicht, waß ich sage; den
seyder ich dießen bogen papir außschreibe, hatt man mich schon
4 mahl interompirt; daß erste mahl war es Monsieur, daß zweyte
mahl cardinals undt ertzbischoffe, daß 3te mahl die envoyes von
Lotheringen undt alleweill geht der envoyes von Modene auß
meiner cammer undt ein ittallienscher graff, so mir brieff von unßer
hertzogin von Hannover gebracht hatt. Damitt ich aber wider auff
Ewerm brieff komme, liebe Louisse, so muß ich sagen, das es
mir leydt ist, daß mein fraw baß, die landtgraffin von Cassel, so
kranck ist. Wie gehts aber unßern gutten lieben printzen, alß
printz Carl undt printz Wilhelm? Die consomption ist eine
schlimme kranckheit, wo man selten von kompt. Dießer tag ist recht
verdrießlich mitt allen den überlauffen; man rufft mich abermahlen,
muß also schließen. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich kan meinen
brieff nicht überleßen, muß in eyll schließen undt vor dießmahl
nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb
behalte.