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Brief vom 1. Oktober 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


96.


[174]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Fontainebleau den 1 October 1699.
Hertzliebe Louisse, dießer ort hir ist der, wo ich ahm wenigsten zum schreiben gelangen kan wegen der viellen jagten, commedien undt apartements. Zu dem so haben wir den englischen königlichen hoff 18 tag hir gehabt, habe also offt zur königin gemüst, also ohnmöglich eher, alß nun, auf Ewere zwey schreiben vom 19/29 August undt 5/15 September zu antworten können. Ich würde es heütte auch noch nicht gekönt haben, wen der englische hoff nicht heütte morgen umb 10 verreist were. Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich auff Eüere schreiben komme. Von meiner trawerigen reiße, so ich nach Bar habe thun sollen undt welche zurückgangen, will ich nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louisse, sehr verobligirt bin, so sehr part drinnen genohmen zu haben. Weillen der könig nicht hatt erlauben wollen, daß man ein mittel finden möge, der ceremonie zu entgehen, so darin bestundt, daß der hertzog von Lotteringen pretendirt, eine chaisse a bras vor Monsieur undt mir zu haben, weillen der keyßer ihm selbigen gibt; der könig aber antwort hirauff, das der keyßer einen cermonial habe undt der könig einen andern, alß zum exempel der keyßer gibt den cardinals chaissen a bras, die dörffen hir nie vor den könig sitzen. Der könig hatt deß hertzogs vorfahren zum exempel ahngezogen, so hir geweßen undt nie kein chaisse a bras pretendirt haben; ob der alte hertzog von Lotheringen zwar feü Monsieur sein leiblicher schwager war, hatt er doch weder vor Monsieur noch seyner leiblichen schwester nie nichts, alß ein tabouret, gehabt. Monsieur will woll eine chaisse a dos geben undt der könig consentirt drin, aber der hertzog pretendirt, wie ein churfürst tractirt zu werden, undt daß will der könig nicht [175] zugeben. Monsieur hatte proponirt, daß mans machen solte, wie bey dem könig von Engellandt; der pretendirt, unß keine chaisse zu geben, wir aber pretendiren, eine vor ihm zu haben; derowegen setzt er sich nur, wen wir dar sein, auff ein tabouret. So wolten wir es auch machen; daß hatt aber der könig durchauß nicht leyden wollen undt wir haben nicht nach Bar gewolt, umb de hautte lutte unßerm hertzog ein affront ahnzuthun, also die reiße gebrochen worden. Da wist Ihr nun recht den grundt von der sachen. Ich würde fro gewest sein, wen ich Carl Moritz gesehen hette. Wen er es aber gemacht hette, wie ich höre, daß er es nun zu Berlin macht, würden wir nicht lang gutt freündt geblieben sein undt ich würde braff gezürnt haben; den wie man mir bericht, so seüfft er sich alle tag blindt voll undt bringt den ein hauffen toll zeug bey I. L. der churfürstin von Brandenburg vor; daß ist doch eine rechte schande. Wen ich glauben könte, daß ein ernstlicher verweiß in corigiren könte, wolte ich ihm schreiben. Daß macht mich meinen lieben Carllutz noch mehr regrettiren; den der stehlte so nichts ungereimbts ahn. Von wem hatt er daß sauffen? Den papa s. trunck ja sein leben nicht. Es verdriest, das der eintzige sohn, so von meinem h. vatter s. überbleibt, ein volseüffer sein solle. Umb gottes willen, thut doch Ewer best, Carl Moritz zu corigiren! Wen ich zeit habe, mache ich mir eine rechte freüde, ahn Eüch undt Amelisse zu schreiben. Ich werde wider fleißiger sein, wen wir wider zu Paris undt Versallien sein werde, hir aber kan ichs nicht versprechen; den wie schon gesagt, wir haben [keine] zeit zu schreiben undt die zeit, so mir überig bleibt, wende ich ahn, ma tante, mein tochter undt die hertzogin von Savoye zu schreiben. Jedoch seydt versichert, daß, wo es mir möglich wirdt sein können, werde ich auch ahn Eüch undt Amelisse schreiben! Waß muß dan die arme landtgräffin von Cassel vor einen ellenden zustandt haben, daß die gelehrsten docktoren sich nicht drein finden? Ich weiß es danck ahn dem docktor Bruner, seine unwißenheit gestanden zu haben; den ordinari stellen sich die herrn docktoren, alß wen sie die kranckheitten recht kenten, geben remedien undt wißen doch nicht, waß es ist, undt schicken manchen so in jener welt. Der erbprintz von Cassel hatt all lengst herkommen sollen, weiß nicht, warumb es nicht geschicht. Der graff von Hannaw hatt mir geschrieben undt part von seinem heüraht geben; ich habe ihm aber [176] noch nicht antwortten [können], habe lieber dießen tag ahnwenden wollen, ahn Eüch undt, wo ich kan, ahn Amelisse zu antwortten. Es ist die groß fraw mutter von der printzes von Anspach, so dießen heüraht gemacht hatt. Es stehet in den hollandischen gazetten, daß man wider zu Heydelberg bawet. Ich mögte wißen, ob es war ist. Ihr habt groß recht, nicht nach hoff zu gehen, wen man Eüch dortten nicht tractirt wie billig. Hirmitt ist Ewer erstes schreiben vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff daß vom 5/15 September, bedancke mich gar sehr vor alle gutte wünsche, so Ihr meinen kindern undt kindeskindt in Lotheringen thut. Recht lebendig zweyffle ich sehr mein enckel zu sehen, aber mein dochter wirdt mir ihn in waxs possirt schicken; er solle schon so groß undt starck sein wie ein kindt von 6 mont. Ich weiß all lengst, daß ma tante, gott seye danck, wider gesundt ist; den I. L. thun mir die gnade undt schreiben mir alle woche 2 mahl. Umb die warheit zu sagen, so war mir auch nicht woll bey der sach, wie I. L. kranck wahren; allein, gott sey danck, daß temperament ist gutt, also woll abgeloffen. Gott der allmächtige stehe ferner bey! Ich weiß nicht, ob meines brudern gemahlin sehr betrübt wirdt sein über des königs in Denemarck todt; sie hatten einander lang nicht gesehen undt mich deücht, die vertrawlichkeit war nicht sonderlich groß zwischen beyde geschwister. Es steht noch dahin, ob ich umb dießen könig trawern werde; den man nimbt die trawer nicht, man gibt einem erst part, undt es stehet noch dahin, ob man unß part geben wirdt; den dießer itzige könig in Denemarck will sein ceremonial endern, dem könig hir anderst schreiben, alß sein herr vatter undt groß herr vatter gethan; der könig will den brieff nicht ahnnehmen, also kan der envoyé kein audientz haben, stehet also noch dahin, ob wir trawern werden oder nicht. Vor 3 tagen haben wir die trawer vor die königin in Portugal ahngelegt. Der wünsch, so Ihr mir thut, daß mir nichts nähers absterben möge, ist woll gutt; bin Eüch, liebe Louisse, sehr davor verobligirt. Ich gestehe, daß ich gar nicht fro geweßen were, daß mein dochter nach Portugal gemüst hette. Mein dochter ist gar glücklich mitt ihrem hertzog; er thut ihr, waß er ihr ahn den augen ahnsehen kan, sie haben einander beyde von grundt ihrer sehlen lieb. Ich kan die thorheit nicht begreiffen, so die leütte haben, nach Rom zu ziehen. Den waß vor eine lust kan es sein, ein hauffen [177] pfaffen in den kirchen herumb zu lauffen sehen? Deßwegen ginge ich nicht von meinem tisch zum fenster, will geschweygen nach Rom. Die Holländer thun woll, sich nach landts brauch zu richten. Ihr habt recht, liebe Louisse, man rechnet hir die Holländer offt unter die Teütschen. Ich meinte, in Engellandt lebe ein jeder, wie es wolle. Hatt vielleicht Ewer schwager Eüch wegen seines jaloussen humor weiß gemacht, daß man mitt niemandts reden darff? Hirmitt seindt Ewere beyde schreiben, liebe Louisse, vollig beantwortet undt bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch von hertzen zu ambrassiren undt zu versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Oktober 1699 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 174–177
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0096.html
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