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Brief vom 23. April 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


103.


[187]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräfin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 23 April 1700.
Hertzliebe Amelisse, Ihr habt groß recht, in Ewerm letztem schreiben vom 11 dießes monts zu sagen, daß es eine geraume zeit ist, daß ich Eüch nicht geschrieben habe. Wen ich ahn geister glauben könte, würde ich mir einbilden, daß ein poltergeist oder esprit folet expreße aufflawert, wen ich Eüch schreiben will, umb mir verhindernüße zu schicken; den es ist unglaublich alles, waß mir hirinen begegnet ist. Ich weiß nicht, ob ich alle Ewere schreiben entpfangen habe, allein seyder ich nicht geschrieben, seindt mir 4 von Louisse undt 4 von Eüch, liebe Amelisse, zu händen kommen; die von Louisse seindt vom 13/23 Januar, 4 Februar, 8/18 Februar undt 11 Mertz; die Ewerigen vom 10 Januar, 17/27 Januar, 18 Mertz undt 11 April, sonsten habe ich keine. Die andern seindt zu alt, umb jetzt beantwortet zu werden; auch müste ich ein buch undt kein brieff schreiben, wen ich die 4 brieff [188] beantworten wolte, halte mich derowegen nur ahm letzten. Ich bin Eüch undt Louisse recht verobligirt, mir unahngesehen meines stilschweygen zu schreiben; habt mir einen rechten gefallen dran gethan. Ihr betriegt Eüch sehr, liebe Amelise, wen Ihr undt Louisse meint, daß Ewere schreiben mir alber vorkommen; contrarie, ich finde, daß Ihr beyde sehr woll schreibt; glaubt auch, daß wir hir nichts beßers haben, alß Ihr mir bericht! War monsieur Muller nicht hoffmeister bey jemandes junges hir? Ich erinere mich gar woll, ihn hir gesehen zu haben, aber ich erinere mich nicht mehr, bey wem er hoffmeister war; den ich habe daß schlimbste gedachtnuß von der welt; eins aber weiß ich woll, nehmblich, daß er viel beßer tantzte, alß sein pupil. Ich bin fro, daß er so content von meiner dochter ist, welche nun woll hertzlich betrübt über den verlust ihres söhngens ist. Ich schreibe ahn Louisse, wie er gestorben ist. Sie hatt auch sonst noch dieße woche ein trawerig spectacle gehabt. Ihr herr schwigervatter hatt in seinem testament ahn seinen söhnen begehrt, daß, so baldt sie wider possession vom hertzogthum Lotteringen bekommen mögten, seinen cörper hollen zu laßen undt zu Nancie zu begraben; daß hatt mein schwigersohn Libden gethan; großvatter undt enckel werden also mitt einander begraben, welches ein trawerig spectacle ist. Mein arme dochter ist woll zu beklagen. Daß erweist woll, daß man in dießem leben nicht volkommen glückseelig sein kan; den im überigen ist sie, gott sey danck, das glückseeligste undt vergnügste mensch von der welt. Mein dochter hatt gar nichts von mir, bin aber monsieur Müller obligirt, mir zuzumeßen wollen, waß ahm besten ahn mein dochter ist. Die kleine Rotzenhaussen ist all artlich, aber keine große schönheit; sie hatt keine schönne taille, ist klein von person undt hatt waß hohe axellen, allein eine schönne haut, farben, augen undt zähn, singt undt tantzt woll undt ist ein gutt ehrlich metgen. Die gräffin von Fürstenberg ist possirlich mitt ihrem schmincken; sie hats keine scheü, sagt blat herauß, daß sie die kinderblattern so verdorben hetten, daß, wen sie ihr gesicht nicht mitt schminck reparirte, würde jederman bang vor sie werden undt weglauffen. Rotzenhaussen ihre farben seindt gantz naturlich. Ich bitt Eüch, sagt mir doch, ob deß Veningers sohn seiner mutter, dem Evegen, gleicht! Freillich wirdt deß jagermeisters sohn beßer zu Straßburg, alß zu Rorbach sein. [189] Vor dießem war deß herrn Woltzogen hauß zu Rorbach nicht schön; wen Veningers seines nicht schönner wirdt, so wirdt er nicht gemachlich logirt sein. Wen sein sohn herkompt, will ich mein best thun seiner vatter undt mutter wegen, ihm gutten raht zu geben. Wie ich eben Ewer schreiben, liebe Amelisse, zu Paris laße, stundt der printz von Birckenfelt bey mir, könte also woll nicht zu Franckfort sein. Ich glaube nicht, daß es zu Franckfort stiller her kan gehen, alß hir. Hatt Eüch mein vetter, der landtgraff von Cassel, nicht gesagt, ob er content von seiner römischen reiß ist? Es were, deücht mir, beßer, daß die liebe zwischen dem printz von Cassel undt der churprinces von Brandenburg später ahnfing undt lang wehren mögte, alß jetzt ahnfangen undt vielleicht, wie offt geschicht, nach der jouissance enden. Wie solte der nordischen königen krieg den heüraht hindern können? Waß haben sie damitt zu thun? Ich kan nicht glauben, daß dießer krig, so hefftig er auch ahnfengt, dawern mag; den wie ich gehört, so will die polnische republick gar nicht leyden, daß ihr könig den krig lenger gegen Schweden führt. Wie Ihr mir von landtgraff Carl von Rheinfels sprecht, so were es woll kein schadt geweßen, wen der durchlauff, so er hir gehabt, ihn in jene welt geführt hette; er muß endtlich gar narisch werden. Der landtgraff von Cassel solte auß charitet seine princessinen zu sich nehmen. Solche leütte, wie landtgraff Carl ist, solt man einsperen. Hirmit ist Ewer brieff beantwortet. Adieu, liebe Amelise! Ich ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. April 1700 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 187–189
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0103.html
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