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A mad. Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Port royal den 21 September 1700.
Hertzliebe Louisse, ich habe seyder eine zeit her 3 liebe brieffe
von Eüch bekommen vom 28 August, 4 undt 12 September, aber
ohnmöglich beantwortten können; den wen man so nahe bey einer
abreiße ist, finden sich alß gar viel verhinderungen. Morgen
werden wir von hir auffbrechen undt ins chevalier de Loraine gutt
schlaffen gehen undt den andern tag nach Fontainebleau; habe doch
nicht von hir gewohlt, ohne Eüch, liebe Louisse, zu schreiben.
Es ist mir recht leydt, daß Amilisse noch alß kranck ist undt sich
nicht wider recht erholt. Abé de Theseut werde ich vor Eüch beyde
eine kleine St Clouer kirbe laßen, so er Eüch schicken wirdt,
worinen Ihr eine alte dicke bagode werdet gemahlet finden, welche
über die maßen gleich ist; bin versichert, daß Ihr es niemandes
werdet weißen können, so es nicht gleich kennen wirdt.
Ernstlicher davon zu reden, so hatt man mich nie gleicher gemahlt, alß
Ihr mich in den schächtelgen finden werdet, so Eüch abé de
Thesseu schicken wirdt, nachdem ich hir weg werde sein; auffs wenigst
hoffe ich, daß alles morgen fertig sein wirdt. Wist mirs danck,
daß ich vor Eüch beyde die gedult gehabt habe, mich mahlen zu
laßen! den ich thue nichts ungerners; aber weillen ich weiß, daß
Ihr mein contrefait so verlangt undt monsieur de Bechameil die
großen nicht außmachen lest, so habe ich doch dieße kleine machen
laßen, so beßer, alß kein großes, gleicht; wünsche sehr, daß dieße
kleine kirbe Eüch ahngenehm sein möge undt ahn Amelisse auch.
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Ich wolte Eüch von hertzen gern lenger entreteniren, allein ich
habe heütte noch, weillen wir morgen weg, gar viel brieff zu
schreiben; diß nur noch sagen, daß es mir auch leydt ist, daß
Carl Moritz so augenwehe hatt. Ich kan nicht begreiffen, waß ihm
ahn den augen muß gekommen sein, daß man ihm fleisch weg
ätzen muß; da habe ich mein leben nichts von gehört, förchte, daß
er gar blindt werden wirdt; er jammert mich recht. Ich bitte
Eüch, liebe Louisse, schreibt ihm doch, wie sehr ich ihn beklage!
Adieu, hertzliebe Louisse! Ambrassirt Amelisse von meinetwegen!
Ich wünsche von hertzen, daß dießer brieff sie wider in
volkommener gesundtheit finden möge. Seydt versichert, daß ich Eüch
allebeyde recht lieb behalte!