Seitenbanner

Brief vom 3. November 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


143.


[243]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Fontainebleau den 3 November 1701.
Hertzliebe Louise, ich bin gantz beschambt, daß, nachdem ich Eüch so sehr versprochen, daß ich fleißig schreiben wolte, doch abermahl auff zwey von Ewern lieben brieffen zu andtworten habe, alß nehmblich auff das vom 8 undt vom 22 October; fange bey dem ersten ahn, dancke Eüch sehr vor waß Ihr mir geschickt, will aber weitter nichts darauff sagen; den dießer text ist gar zu trawerig undt betrübt, umb ohne große nohtwendigkeit davon zu sprechen. Vom könig Jacob werde ich auch nicht viel mehr sagen; der gutte könig ist seines ellendes quit undt hatt sein unglück mitt solcher gedult außgestanden, daß ich nicht zweyffele, daß er nun im himmel ist. Die Parisser gehen weitter undt bilden sich ein, er thue miracle, [244] aber so weit erstreckt sich mein glaub nicht. Ich habe woll gleich gedacht, daß die erklärung deß printzen von Wallis vor könig den krieg nach sich ziehen würde; allein wen war ist, waß man hir sagt, mögte die sach sich noch woll endern, nehmblich daß der arme könig Wilhelm auch auff den todt liegen solle. Wen die Engelländer eine nation were wie andere leütte, so were zu hoffen, daß sie fest in der resolution vor ma tante undt ihre kinder bleiben würde, allein es ist eine untrewe undt falsche nation, worauff man nie bawen kan. Ich weiß nicht, ob Ewere gedancken der fraw von Ratsamshaussen ihre sein; wen es aber die sein, kan ich nur drauff antwortten, daß ich zu alt bin, umb ahn waß anderst zu gedenken, alß meine tage in ruhen zu schließen. Niemandts denckt ahn mich undt ich kan woll einen thewern eydt thun, daß ich eben so wenig ahn waß gedencke, außer waß ich alleweill gesagt habe; bin Eüch doch, liebe Louisse, verobligirt, mir zu wünschen, waß Ihr meint, daß gutt seye. Ich werde mein leben nicht können boß werden, daß Ihr gelegenheit sucht, mir zu schreiben, es mag auch mitt wem sein, alß es wolle. In Franckreich ist man nicht so scrupullos auff der mansleütte leben; wen sie nur nicht stehlen noch falsch zeugnuß geben, alles ander lest man passiren undt geht nicht desto weniger mitt ihnen umb, ob sie gleich mitt männer oder weiber desbauchirt sein. Ich habe, ich muß gestehen, glat vergeßen, deß graffen von Brockdorff sohne ahn mein dochter zu recomandiren, bitte Eüch deßwegen umb verzeyung, werde es aber ohnfehlhar morgen thun. Es ist noch nichts verlohren dran; den bißher ist mein tochter nicht zu Nancy, sondern zu Bar geweßen, erst letztvergangen sambstag von Bar weg, thut aber gar kleine tagreißen undt wirdt auch, weillen sie so grob schwanger undt auch weill ihr herr zu St Miel jagen will, sich etlich tag dort auffhalten. Mein brieff wirdt also eben ahnkommen, wen sie nach Nancie kommen wirdt, also noch zu rechter zeit. Ihr sprecht mir von dem Wollmershaussen, alß wen ich ihn nicht kente. Ich habe ihn offt gesehen, aber selten nüchtern; hirauß werdet Ihr woll sehen, daß ich ihn kene. Ich bin nun woll mitt Carl Moritz zufrieden. Er hatt mir einmahl einen natürlichen undt ungezwungenen brieff geschrieben. Es ist woll ein unglück undt schade, daß Carl Moritz in der Gregu händen gerahten undt hernach in der heßlichen accademie zu Wolffenbüttel. Ich habe ahn ma tante geschrieben, daß [245] I. L. Carl Moritz verderben, so hertzlich zu lachen, wen er voll ist; den daß macht ihm glauben, daß es artig ist, undt alle tag sauffen. Sauffen ist ahngenehmer, alß kranck sein, wundert mich also gar nicht, daß Carl Moritz daß erste erwehlt hatt; allein zu seinem eygen besten hette er daß letzte wehlen sollen undt Ewern raht folgen. Hir im landt haben die weiber eben so große fehler alß die mäner; dan eben alle laster, so die mäner haben, folgen sie mitt weniger scheü, alß die mäner. Hirmitt ist Ewer erstes schreiben vollig beantwort; ich komme auff daß zweyte. Ich mögte von hertzen wünschen, daß mein mittleyden freüllen Charlotte undt insonderheit freüllen Anna Catherine trösten möge. Die gutte fraw von Brun hatt zu Amlishagen woll eine betrübte vissitte abgelegt. Ihr sagt aber nicht, wovon sie gestorben, obs vom schlag oder sonst ein accident geweßen. Es ist mehr zu verzeyen, daß der fraw von Wolmershaussen dochter einen braffen undt reichen soldatten genohmen, alß wens ein gelehrter geweßen were; den ein generalmajor macht doch schon eine figur in der welt, kans ihr also eben nicht sehr verdencken. Durch freüllen Charlotte sicht man woll, daß man sein verhengnuß nicht entgehen kan, weillen sie so fest resolvirt war, nicht zu heürahten, undt doch dazu gekommen ist; aber waß, under unß gesagt, mich noch mehr wunder nimbt, ist, daß man so verliebt hatt von ihr sein können. Ihr leben ist wie ein kleiner roman. Ich kan aber nicht glauben, daß sie mitt dem alter hübscher geworden ist. Daß rechte mittel, sich nicht zu heürahten, ist, keine resolution zu faßen, sich nicht zu heürahten; den fast alle jungfern, so die resolution nehmen, heürahten sich endtlich. Wir haben hir die schönste tage von der welt; ich mache es mir braff zu nutz, spatzire alle tag ein par stundt im walt. Die menge von hirschen ist gar groß hir. Ich liebe die hunde so sehr, daß keine menge hunde, so groß sie auch sein mag, mich erschrecken kan. Ich fürchte, ich werde auch endtlich vor dicke nicht mehr gehen können. Von affairen werde ich vor dießmahl nicht sprechen, gestehe, daß mich diß alles betrübte gedancken macht, undt die habe ich nicht nohtig zu suchen, kommen mir ohne daß genung. Ich hoffe, unßern Frantzoßen wirdt daß hertz einmahl wider in Ittallien kommen; den sie haben zwey partheyen gethan, so die keyßerliche geschlagen. Es ist schwer zu glauben, daß krancke soldatten sich haben schlagen können; da [246] gehört woll ein zettelgen zu, wie Stein[1] Callenfels alß pflegt zu sagen. Ich bin woll Ewerer meinung undt finde, daß der krieg eine heßliche sach ist. Wen man meinen raht folgen wolte, würde man imer frieden halten. Hiemitt seindt Ewere beyde schreiben vollig beantwortet. Ich bitt, ambrassirt Amelis von meinetwegen! Morgen werde ich auff ihr schreiben andtworten, dießen abendt aber kan ich ohnmöglich mehr schreiben, sondern nur noch sagen, daß ich Eüch allezeit lieb behalten werde.
P. S.
Ich kan ohnmoglich dießen brieff überleßen, bitte, die fehler, so sich drin finden werden, zu entschuldigen.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. November 1701 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 243–246
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0143.html
Änderungsstand:
Tintenfass