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Brief vom 4. November 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


144.


[246]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Fontainebleau den 4 Novembris 1701.
Hertzliebe Amelise, gestern habe ich auff Louisse brieff geantwordet undt heütte werde ich auff die Ewere antwordten, so vom 15 undt 28 October sein. Es ist war, daß ich ein zeithero von gar ernstlichen undt recht langweilligen sachen mitt Louise habe sprechen müßen, welches mir leydt genung. Ich habe hoch von nöhten, daß man mich lachen macht; den diß wirdt sehr rar bey mir. Ma tante, die fraw churfürstin von Braunsweig, hatt mir, es ist noch nicht lang, eine von den pasquilles geschickt auff den ittallienischen krieg, welche mich hatt lachen machen; den es ist so perfect geschrieben, wie die Frantzosen alle teütsch reden, daß mans nicht ohne lachen leßen kan. Den jungen vettern, so Ihr in Ittallien alß volontaire habt, ist er des obersten Degenfelts sohn, oder deß baron Hanibals? Den ich glaube, daß dießer auch geheüraht worden. Kompt herr Ferdinand den gar nicht mehr in Teütschlandt? Er muß doch auch jetzt nicht gar jung mehr sein. Ich bitt, wen Ihr ihm schreibt, so grüst ihn doch von meinetwegen undt klagt ihm auch daß leydt wegen seiner schwester, die fraw von Brun, welche mich warlich recht gejammert hatt! Ich fürchte, zu kunfftig jahr werdet Ihr den krieg näher haben, alß in Ittallien. [247] Wer in dießem landt nicht spilt, muß all sein leben die parthey nehmen, nicht hinter dem offen zu sitzen (den es seindt keine offen hir im landt), aber woll camin; dahinter sitzt man, gantz einsam undt allein, undt wer es noch waß, wen man artige rätzelger hören könte. Bißher haben wir hir daß schönste wetter von der welt gehabt; ich habe es mir auch braff zu nutz gemacht, bin alle tag im walt spatziren gangen. Weillen ich nicht weiß, waß man alß im herbst thut, noch wie man sich dort divertirt, so kan ich nicht sagen, ob es mir gefallen könte oder nicht. Viel trauben eßen gereütt man etlich mahl, wen man einen braffen tribsdrill bekompt, welches schir allemahl geschicht, wen man zu viel trauben frist. Diß jahr ist dieße kranckheit sehr gefährlich undt wirdt leicht eine rotte ruhr drauß; es seindt unerhört viel leütte ahn der ruhr diß jahr hir in Franckreich gestorben. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben, liebe Amelisse, vollich beantwortet; ich komme jetzt auff daß zweyte vom 28 October. Ich bin Eüch sehr verobligirt, liebe Amellisse, Eüch so sehr über meine, gott seye danck, perfecte gesundtheit zu erfrewen. Der könig continuirt, mir große gnadt zu erweißen. Den gutten wunsch, so Ihr thut, daß gott deß königs hertz regiren möge, damitt ich noch ferner vergnügt leben möge, meritirt noch eine absonderliche dancksagung. Wen man so alt ist, alß ich bin, vergeht alle lust von sich selber; den man wirdt alles müht, aber gridtlich zu sein, kan man sich woll endtwehren. Es ist woll gewiß, daß große trawerigkeit sterben macht; hirin hatt der könig Salomon groß recht. Meint Ihr, liebe Amelisse, daß ich die bibel nicht mehr leße, weillen ich hir bin? Ich leße alle morgen 3 capittel. Ihr müst nicht meinen, daß die frantzösche catholischen so alber sein wie die teütschen catholischen; es ist gantz eine andere sach mitt, schir alß wens eine andere religion were. Es lest hir die heylige schriefft, wer will; man ist auch nicht obligirt, ahn bagatellen undt abgeschmackte miracle zu glauben. Man helt hir den papst nicht vor unfehlbar; wie er monsieur de Lavardin zu Rom excomunicirte, hatt man hir nur drüber gelacht. Man bett ihn nicht ahn, man helt nichts auff wallfahrten undt hundert dergleichen, worinen man im landt gantz different von den teütschen catholischen ist, wie auch von den Spaniern undt Ittallienern. Ich komme aber wider auff waß Ihr von der melancoley sagt. Es ist nur gar zu war, daß die trawerigkeit zu nichts nutz ist; allein es [248] stehet nicht allezeit bey unß, lustig oder trawerig zu sein, undt es ist schwer, lustig zu sein, wen man sein leben einsam zubringen muß, nichts hatt, so einem eygendtlich erfrewen kan, undt in der that manche trawerige sachen auff dem hals hatt. Die lust runtzelt eben so sehr, alß der chagrin, undt wen man offt in die son undt in den windt geht, runtzelt man ohnfehlbar; daß lachen runtzelt eben so sehr, alß daß weinen. Ich finde die glücklich, so affairen verstehen können; mir seindts lautter spanische dörffer. Die menage begreiff ich auch gar übel, komme spät dazu, etwaß zu lernen, doch werde ich es so gutt machen, alß ich kan. Ewer hauß wirdt eher in richtigkeit gebracht werden, alß daß meine; den Ihr gar gewiß weniger leütte zu versorgen habt, alß ich; aber genung hirmitt von dießen verdrießlichen sachen; den alle affairen, wie sie auch sein mögen, kommen mir verdrießlich undt langweillig vor. Ich versichere Eüch, liebe Amelisse, daß ich gantz undt gar keine ambition habe undt nichts weniger wünschte, alß königin zu sein. Je höher man ist, je gezwungener muß man leben, undt wehre die stelle von Madame eine charge, so man verkauffen könte, hette ich es lengst gar wollfeill weg geben, will geschweygen den, daß ich eine königin zu sein wünschen solte. Die princes von Savoye kompt nicht unschuldig zum königreich; sie ist ja von dem rechten stoff, da man die königinen von macht, undt von vatter- undt mutterseytten nichts ahn ihr zu tadlen. Sie ist Monsieur s. enckel, aber die meine nicht, wie Ihr woll wist; aber daß gutte kindt schreibt mir mitt solcher amitié, alß wen sie in der that mein enckel were. Daß kompt, weillen ihr fraw mutter kaum zwey jahr alt war, wie ich in Franckreich kamme, wuste also nichts von ihre eygene fraw mutter, hatt mich also so lieb bekomme, alß wen sie mein leiblich kindt wehre. Ich habe die gutte hertzogin auch von hertzen lieb undt mache keinen großen unterschiedt unter meinen kindern undt I. L. Die hatt ihrer fraw dochter, der königin, dießes eingepregt, daß sie mich lieb haben solle. Die wir hir haben, ist zu jung von ihrer fraw mutter kommen, hatt also ihre sentiementen nicht. Die junge königin thut ihr reiße zu landt. Der könig in Spanien undt seine gemahlin seindt freylich junge eheleütte, sie machen nur 31 jahr zusamen; den der könig wirdt dießen December 18 jahr alt werden undt die königin ist 13 jahr alt seyder dem September. Daß zwey bruder zwey schwestem nehmen, ist nirgendts [249] verbotten, aber woll, daß man zwey bruder oder zwey schwestern nach einander nimbt. Engellandt ist gar nicht ihr weg, weder zu waßer noch zu landt, geweßen. Man sagt hir, könig Wilhelm hette die waßersucht undt seye todtkranck; ich werde es aber nicht glauben, biß ichs anderwerts her erfahre. Es were schadt, daß so ein verständiger könig so wenig leben solte. Waß man ihm aber beschuldiget, ist nur gar zu war. Alle junge Engelländer, so mitt mylord Portlandt ambassade herkammen, alß sie sahen, daß es zu Paris eben zugeht wie bey ihrem hoff, haben sie keine scheü gehabt, alles gantz natürlich zu verzehlen, wie es hergeht. Solle von dem Albemarle verliebt gewest sein wie von einer damen undt ihm die händt vor alle menschen geküst haben. Daß große zeichen noch, daß dießer könig verliebt von jungen mänern ist, ist, daß er nichts nach weiber fragt; den glaubt mir, liebe Amelisse! die mäner seindt so, sie müßen eines oder daß andere lieben. König Carl s. hatt allein die weiber geliebt. Es seindt aber noch vielle, die beyde lieben; deren findt man hir gar viel undt mehr, alß von denen, so nur von eine inclination sein. König Carl ist nicht verliebt von madame Mazarin geweßen, sondern von madame de Portsmuth undt von einer commediantin. Die mäner glauben, die weiber können nicht sein, ohne waß zu lieben, weillen sie selber so sein; drumb muß man ihnen dieße fragen zu gutt halten. Ich glaube, daß lieben oder nicht lieben nicht allerdings bey unß stehet, aber die haben gott zu dancken, denen er hirinen einen ruhigen sinn gibt undt vor solch unglück bewahrt, so taußendt andere unglück nach sich zicht. Drumb muß man mittleyden mitt denen haben, welche gott in solch unglück fallen lest, undt ihn fleißig bitten, unß davor gnädig zu bewahren. Ewer art von schreiben, liebe Amelisse, gefehlt mir recht woll undt bin gar content darvon. Carl Moritz machts nun auch beßer, alß er ahnfangs gethan, bin woll mitt seinem letztem brieff zufrieden geweßen. Complimenten seindt gutt vor leütte, so man nicht kenen will undt welchen man nicht lieb haben will undt also nichts anderst zu sagen hatt; die speist man mitt einem compliment ab, aber die man lieb hatt, denen sagt man, waß man denckt, wie wir jetzt thun. Ma tante hatt mir von Carl Moritz reverentzen geschrieben. Glaubt nicht, liebe Amelisse, daß Ihr mir nie zu frey schreiben könt! Wir seindt einander ja zu nahe, umb die façon zu machen. Wir haben gar nichts neües hir, werden in 10 tagen [250] wider nach Versaille, sage Eüch also adieu von Fontainebleau. Ich muß heütte noch ahn mein dochter undt sonsten ahn jemandes von meinem leütten nach Paris schreiben, kan Eüch derowegen nichts mehr sage, alß daß ich Eüch undt Ewere geschwister von hertzen lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. November 1701 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 246–250
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0144.html
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