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Brief vom 13. Dezember 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


148.


[256]
Versaille den 13 December 1701.
Hertzliebe Amelisse, es mögte mir heütte woll gehen, alß vergangenen sambstag, wie ich ahn Louisse schriebe undt so offt interompirt wurde, daß ich zuletzt selber nicht mehr wuste, waß ich sagte. Ich glaube nicht, daß sie meinen brieff wirdt haben leßen undt noch weniger begreiffen können, aber sie wirdt doch meinen gutten willen gesehen haben undt wie ich im sin gehabt, exact auff ihr schreiben zu antwortten, wie Ihr jetzt auch thun müst, so doll es auch heraußkommen mag. Ich will bey dem frischten ahnfangen, umb nicht zu offt einerley zu sagen; es ist vom 26 November dattirt undt eine andtwort auff daß meine vom 4 ist. Ich halte es allezeit vor ein gutt werck, wen ich die entretenire, so ich lieb habe, aber nicht von denen wercken, welche gott mir vergelten solle; bin von hertzen fro, daß meine schreiben Eüch so ahngenehm sein; daß wirdt mich Eüch desto fleißiger schreiben machen. Von Louisse habe ich schon andtwort erhalten auff meinem brieff, worinen ich deß Zweyffel ohnhöffliches begehren geschickt, werde also nichts mehr hirauff sagen. Ihr habt recht, liebe Amelisse, [257] Ewern tag nicht zu cediren. Der junge herr von Degenfelt ist just deß herrn Degenfelts sohn, den wir den obersten Degenfelt hießen; den er hieß Christoffel, hatt waß ahn einem aug. Ich habe ihn gar woll gekendt, er war immer in meiner cammer; den er war ein wenig charmirt von die Woltzogin, daß effel, daß hernach den Eberfritz, den Veninger, bekommen; diß seindt aber alte geschichten. Herr Ferdinant muß nun woll nicht weit von daß 70 jahr sein; den ich glaube, daß er woll 20 jahr älter ist, alß ich. Ich habe ihn allezeit recht estimirt undt viel von ihm gehalten; es deüchte mir auch, daß er mich nicht haste. Er ist all sein leben ein wenig dick geweßen; drumb solte er reißen, umb ein wenig magerer zu werden. Man sagt, daß in Ittallien in den operaen die stimmen undt die decorationen beßer sein, alß hir; allein daß orquestre, die simphonien, kleyder undt täntze sollen zu Paris beßer sein, alß in Ittallien. Mylord Oustack ist schön, wen er nicht grimassirt, aber mitt dem grimassiren verdirbt er sich offt, daß er gantz anderst außsicht. Hir hatt er viel conquetten gehabt, unter ander eine große dame, so nun todt ist, welche ihn hertzlich gern gesehen undt die bittere threnen bey seinem abschidt vergoße. Umb gefahr bey den mansleütten außzustehen, hatt er nicht nöhten, in Ittallien zu gehen; in Engellandt wirdt er es genung außstehen. Mylord Albermare sach will ich Eüch leicht begreiffen machen; den könig hatt mylord Albermale lieb umb sein gelt undt faveur, die dame aber umb ihre person. Von könig Wilhelm ist nur gar zu wahr, waß man von ihm sagt, aber alle heros wahren auch sehr, Herculles, Thessée, Allexandre, Cezar; dieße alle wahren so undt hatten ihre favoritten. Die von dem laster seindt undt die h. schriefft glauben, bilden sich ein, daß es nur sünde geweßen, wie noch wenig leütte in der welt wahren undt waß sie thetten den menschlichen geschlegt schaden konte, indem es verhindert, mehr menschen zu werden; aber nun, daß die welt gantz peuplirt ist, halten sie es nur vor ein divertissement, halten es aber heimlich, so viel sie können, den gemeinen man nicht dadurch zu ärgern, aber unter leütte von qualitet reden sie öffendtlich davon, halten es vor eine gentillesse, wißen auch woll zu sagen, daß seyder Sodom undt Gomora unßer herrgott niemandt drumb gestrafft hatt. Ihr werdet mich gelehrt finden in dießem text; etlich mahl habe ich davon reden hören, seyder ich in Franckreich bin. Wer gott in [258] der warheit undt nach seinem wordt dinnen will, muß woll alle tag die heylige schrifft leßen, sonsten würden wir in finsternuß sein. Ich bin persuadirt, daß die rechte religion die ist, so ein Christ in seinem hertzen hatt undt auff gottes wort gegründet ist; daß überige seindt nur pfaffen-geschwetz. In welcher religion es auch sein mag, man kan allein durch die wercke von rechten glauben judiciren; wehr woll thut, liebt gott undt seinen negsten, daß seindt die gesetz undt prophetten, wie unßer herr Christus unß lehrt. Alle abergläubische meßen werden hir dermaßen gestrafft, daß ein priester, so vor meüße die meß hir leßen würde, gebrent würde werden wie ein zauberer. Carl Moritz wundert mich, geschmehlt zu haben, daß Ihr mir frey schreibt. Kan er den glauben, daß ewige complimenten ahngenehme brieffe machen könnte undt daß es ein spaß sein kan, mitt leütte, so man lieb hatt undt denen man so nahe ist, alß im zwang zu reden? Daß wundert mich vor einem menschen, wie er ist, so verstandt hatt. Er hatt sich doch selber jetzt gecourigirt, schreibt aber gar selten. Ich dachte woll, daß Ihr es anderst mitt der jungen königin in Spanien müstet gemeint haben, alß es gelaudt hatte. Der churfürst von Bayern hatt seine maistresse nicht mehr bey sich, die contesse d’Arcot; sie ist jetzt zu Turin. Daß teütsche sprichwort schickt sich nicht hieher, aber stille hirvon! Es ist mir recht leydt, daß es krieg wirdt; ich mögte friede zu unßern zeitten sehen. Die gottloßen seindt nicht gezeichnet; gibt es krieg, so trifft es gutte undt böße. Es ist kein wunder, daß der churfürst von Cöln vor seinem leiblichen neuveu, den könig in Spanien, ist. Wie ich sehe, so macht Ihr es nicht wie ich, weill Ihr die predigen behalt; ich kans aber nicht laßen, ich schlaffe sie von einem endt zum andern auß. Hirmitt ist Ewer letztes undt liebes schreiben durchauß beantwortet; ich komme jetzt auff daß vom 12 November. Wir haben jetzt hir auch gar heßlich wetter; es nebelt continuirlich, ist aber nicht kalt. Wie ich sehe, so seydt Ihr undt Louisse nicht glücklicher im spiellen, alß ich. Es ist gar gewiß, daß die, so daß spiellen nicht lieben, offter verliehren, alß andere. Daß würde man Eüch hir nicht erlauben, bey dem spiel zu discouriren. Rätzelger auffgeben ist all artig; da amussire ich mich etlichmahl mitt, ehe ich schlaffen gehe. Ich wolte, daß Ihr mich mitt nach Hannover nehmen könte. Daß ist daß eintzige, so ich erdencken kan, so mich in [259] dießer welt noch freüde geben könte; weillen es aber leyder nicht geschehen kan, so wünsch ich Eüch ein glückliche reiß undt lüstigen carnaval. Ihr müst unerhört geendert sein, Amelisse, wen Ihr jetzt ein schmahl gesicht undt dicke naße habt; den wie Ihr ein kindt wahret, hattet Ihr ein zimblich breydt gesicht undt schmahles näßgen. Man erlaubt in Franckreich nicht, daß man auß dem königreich geht. Ich bin nicht Carllutz meinung; ich will woll waß schlimes haben, wen nur waß guts dabey ist, undt allezeit, wens bey mir stehet, die sehen, so ich lieb habe. Ich kan nicht ahn Carllutz gedencken, ohne daß mir die threnen in den augen kommen; den ich habe ihn woll hertzlich lieb gehabt. Den tordt wolte ich ma tante nicht thun, mich in einem standt zu setzen, ohne geheüraht königin in Engellandt zu sein können. Ihr secht woll, daß ich Eüch gar woll verstanden habe, bin Eüch doch verobligirt vor den gutten wunsch. Ich dencke ahn nichts mehr, alß mein leben so ruhig alß möglich zuzubringen, biß ich sterbe, welches woll baldt geschehen mögte; den ich werde sehr alt. Ich wünsche, noch fürchte den todt nicht; so lang ich aber leben werde, werde ich Eüch undt Ewere geschwister recht lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. Dezember 1701 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 256–259
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0148.html
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