Seitenbanner

Brief vom 8. Januar 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


151.


[263]
Versaille den 8 Januari 1702.
Hertzliebe Amelisse, gestern abendts, alß ich wider von Marly kommen, hatt man mir Ewer schreiben vom letztem December [264] gebracht, worauff ich hiemitt gleich andtwortten werde undt Eüch meine meinung recht von hertzengrundt sagen. Im heürahten, deücht mir, müßen erstlich 2 hauptpunckten betracht werden; der erste, ob der man in einem standt ist undt mittel genung hatt, nach seinem standt zu leben, zum andern, ob die person einem nicht gantz zuwider ist undt man, wen die mittel da sein, vergnügt mitt einen menschen leben kan. Gegen den standt habe ich nichts zu sagen. Ich weiß, wer die graffen von Wittgenstein sein, finde also dießes sehr sortable, aber noch eine reflection ist zu machen, nehmblich ob Ihr Eüch auch resolviren könt, die gedult zu haben, so man im heüraht haben muß, undt Eüch einem man so zu soumettiren, daß man mitt allen seinen schwachheitten gedult haben kan undt sie mitt gedult ertragen, ohne welches nie kein glück im ehestandt sein kan. Wen Ihr dieße resolutionen faßen könt, liebe Amelisse, so will ich Eüch rahten, zu heürahten. Ich lobe Eüch, die sache nicht acceptirt gehabt zu haben, so lang deß graffen eltern gelebt undt keine charge gehabt hatt; aber nun sie todt sein, er herr von seinen guttern ist undt eine seines standts gemäß charge hat, sehe ich nicht mehr, wie Ihr die sach abschlagen könt. Ich gestehe zwar, daß ich woll glaube, daß ein lediger standt nicht widerlich ist undt vielleicht glücklicher; allein wen man alt wirdt, fält doch so eine verachtung auff die alten jungfern, daß sie selber ihren standt nicht mehr ertragen können undt den mäner suchen, wen es nicht mehr zeit ist, undt werden darnach nur außgelacht; ist also beßer, noch jung heürahten. Ihr werdet zu Berlin ahn einem ahngenehmen hoff sein, welches beßer ist, alß gantz allein zu Franckfort haußhalten. Ich bin recht touchirt von Ewer vertrawen, liebe Amelisse! Ich sage Eüch auch meine gedancken recht von hertzengrundt, wie ich es dencke. Ihr secht auch woll, daß ma tante meinung wie die meine ist. Überwegt alles, waß ich Eüch hir geschrieben, undt nembt Ewer parthey hirauff! Ich bitte gott den allmächtigen von grundt der seelen, daß er Eüch eingeben möge, waß zu Ewer glück undt avantage gereichen kan. Die heüraht, so auß raison geschehen, seindt offt viel glücklicher, alß die auß amour undt liebe geschehen; den liebe (ich verstehe verliebt sein) undt hymen sein undt bleiben selten beysammen. Heürahten, wen alle gutte raisons sich dabey befinden, ist keine naredey. Ma tant hatt mir gar nichts von der sach geschriben. Ich habe auch [265] nichts davon gesagt undt nicht gethan, alß wen ichs wüste. Wen glückwünschen zu waß helffen könte, so würdet Ihr gewiß gar glücklich werden; den ich versichere Eüch, liebe Amelisse, daß ich Eüch ein volkommen vergnügen wünsche; dancke Eüch sehr vor Ewern neüjahrswunsch undt versichere Eüch, daß, in welchem standt Ihr auch sein möget, so werde ich allezeit eine rechte trewe freündtschafft undt liebe zu Eüch tragen, wie es daß geblüdt in unß erfordert.
P. S.
Es verlangt mich recht, zu wißen, welche parthey Ihr werdet genohmen haben.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Januar 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 263–265
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0151.html
Änderungsstand:
Tintenfass