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Brief vom 22. April 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


165.


[280]
Versaille den 22 April 1702.
Hertzlieb Amelisse, ob ich zwar alleweill erst einen großen machtigen brieff ahn Louisse geschrieben, so will ich doch dieße post nicht vorbey gehen laßen, ohne auch ahn Eüch [zu] schreiben undt auff Ewer lieben brieff vom 13 zu antworten, mitt welchem ich gestern bin erfrewet worden; den ich bin recht content von Eüch, liebe Amelisse, daß Ihr mir so offenhertzig schreibt. Ich bin fro, [281] daß Ihr noch 14 tag bey ma tante nach der königin abreiße geweßen seydt undt I. L. in der trawerigen zeit nicht allein geblieben seyndt. Es ist eine abgeschmackte sach mitt den processen undt ich fürchte noch dazu, daß es Ewerer schwester kinder nicht zu nutz kommen wirdt, alle mühe, so Louise sich umb deß ducs de Chönburg processen gibt, wen es war ist, daß er sich ahn ein jung medgen von 17 jahren geheüraht hatt, so ihm gantze cammern voll kindern daher setzen wirdt. Ich weiß kein glück, so dießem beykommen kan, bey ma tante, die fraw churfürstin von Braunsweig, zu sein können. Ich habe woll gedacht, daß eine solche ursach, alß wie die von deß churfürsten zu Braunsweig metres allein ursach sein könne, daß man Eüch nicht wie billig zu Hannover tractiren wollen. Daß der churfürst ein struckener störiger herr ist, habe ich gar woll ahn I. L. verspürt, wie sie hir wahren; den so viel amitié ich ihm auch erwießen, hatt er doch nie kein vertrawen in mir faßen wollen, noch mitt mir reden, habe ihm alle wörter außpreßen müßen, welches eine gar ohnahngenehme sach ist. Worinen er aber daß groste unrecht hatt, ist, mitt seiner fraw mutter so zu leben, deren er doch allen respect schuldig ist. Mißtrawen, hochmuht undt kargheit machen dießen churfürsten, wie er ist. Sorgt nicht, daß ich Eüch händel ahnmachen werde! Ich werde mein leben nicht nachsagen, waß Ihr mir geschriben habt. Ich mercke es offt auß ma tante schreiben, ob sie schon nichts sagt, daß sie übel zufrieden ist. Daß schlimbste ist, daß dießer churfürst kein gutt naturel hatt, welches man woll ahn dem verspürt, wie er auch mitt seinen herrn brüdern umbgeht. Es ist mir leydt, daß der churfürst Carl Moritz so verdirbt; den daß sauffen kan kein gutt auff die lenge thun, er wirdt sich mitt umbs leben bringen undt vorher noch daß hirn schwechen, daß er all seinen verstandt drüber verliehren wirdt. Ihr habt doch recht woll gethan, liebe Amelisse, ihn davon zu rahten; den daß ist ein recht zeichen, daß man seine verwandten lieb hatt, wen man sie corigirt. Ich wolte, daß daß hauß Wolffenbüdel mitt den hannoverischen vereyniget were; den es bringt kein glück, wen man gegen sein eygen hauß krig führt. Ich zweyffle nicht, daß alle hohe verwanten undt allireten von könig Wilhelm sehr bestürtzt undt betrübt über seinen todt geweßen sein; mich hatt er auch gejammert. Unßere königin in Engellandt hir hatt in dießem fall sich recht genereuse undt [282] christlich erzeigt. Viel Engelländer, alß sie die zeittung von könig Wilhelms todt erfahren, wolten freüdenfewer machen; allein die königin ließ es außleschen undt überal verbietten, daß niemandts freüdenzeichen über dießes königs todt geben solte; sie selbsten auch sprach davon ohne einige annimositet. Ich habe sie recht drüber admirirt. Es ist gewiß, daß dieße arme königin ihr unglück nicht meritirt undt recht tugendtsam ist. Ich bin persuadirt, daß ma tante jetzt glücklicher ist, alß sie sein würden, wen sie königin in Engellandt sein werden; den die Engellander seindt falsche undt wunderliche köpfe. Wolte gott, ma tante könte wie die ertzvätter leben! so würde 72 jahr nur eine jugendt sein. Ich dancke Eüch sehr, liebe Amelisse, Eüch vor die arme Suzon, madame du Fraine, bemühet zu haben. Sie spricht eben so doll frantzösch alß teütsch, sie macht mich lachen, wen sie spricht; aber waß ahm possirlichsten ist, ist, wen die Lenor, die fraw von Rathsamshaussen, mitt ihr spricht; die kan eben reden, wie sie; man kan sich deß lachen ohnmöglich enthalten. Die arme fraw, die du Fraine, wirdt mühe haben, wider durch zu kommen; den alles ist voller troupen nun. Man hört von nichts alß krieg undt kriegsgeschrey undt leütte, so abschiedt nehmen; aber wie ich schon ahn Louisse gesagt, so geht mir gar keine geselschafft dran ab; den ich bin von 2 uhr nachmittags biß 9 abendts allein in meinem cabinet undt die zeit felt mir gar nicht lang, findt alß etwaß zu thun, so mich amussirt; aber wens schön wetter ist, fahre ich spatziren. Ewer schreiben ist vollig beantwortet, liebe Amelisse, undt ich weiß gar nichts neües; derowegen will ich ahn schließen gedencken undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt all mein leben recht lieb behalte.
P. S.
Louisse wirdt Eüch sagen können, wie ich einen callender von Augsburg habe, so könig Wilhelms todt prophezeyet hatt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. April 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 280–282
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0165.html
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