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Brief vom 29. April 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


166.


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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 29 April 1702.
Hertzliebe Louisse, vorgestern habe ich Ewer liebes schreiben [283] vom 20 April zu recht entpfangen. Ma tante hatt mir selber geschrieben, daß ihr husten, gott lob, vorbey ist. Ich komme alleweill von St Germain. Die königin in Engellandt ist sehr kranck ahm husten; man hatt I. M. heütte deßwegen zur ader gelaßen. Die armme konigin sicht so bitter übel auß undt hatt so ein starckes hertzklopffen, daß ich fürchte, daß sie ihrem könig baldt folgen wirdt. Daß ma tante der apetit wider kommen, ist ein gutt zeichen. Viel leütte seindt persuadirt, daß der husten gar gesundt ist, wen er nicht zu lang wehrt, noch auff die brust felt. Ich bin in rechten sorgen wegen den conseillier d’estat, so mir der könig geben, umb sorg vor meine affairen zu haben. Es ist ein gar ehrlicher man undt der über die maßen viel verstandt hatt undt recht ahngenehm in der conversation ist. Es ist ihm ein fluß auff die brust durch einen starken husten gefahlen, er speyt bludt undt ist ein alter man; fürcht unerhört, er mögte drauff gehen, welches ein recht unglück vor mich were; den meines sohns raht ist gar nicht woll vor mich intentionirt. Es seindt lautter leütte, die bey Monsieur s. zeitten ihre hande braff gefült haben; fürchten nun, mein sohn mögte ihre conduitte examiniren undt ihnen rechenschafft fodern, wollen derowegen sich auff alle weiße einschleichen, wen er auch zu kurtz kommen möge. Dießer man aber, monsieur de Pomereu, lest nichts verbey gehen undt examinirt alles genau, waß mich betrifft, bin also recht bang, daß er sterben mögte. Gott behütte mich davor! den trewe leütte, so es auffrichtig mitt einem meinen, seindt rar hir zu landt. Ma tante hatt groß recht, nicht gern zu hören, daß man von diet spricht, den es ist recht langweillig. Saladt ist nicht so ungesundt, alß man meint; es erfrischt. Hertzog Gorg Wilhelm habe ich auch recht lieb, vernehme also von hertzen gern, daß I. L. noch so gesundt sein. Meine meinung ist, daß man sich selber im eßen examiniren muß, laßen, waß man findt, daß einem schaadt, undt sich nicht zwingen in dem, wo man die experientz von hatt, daß es einem keinen schaden thun; den generalreguln können so woll schaden alß nutzen. Der menschen naturen seindt eben so different, alß die gesichter. Es ist ein groß unglück mitt den mißheürahten, es wirdt nie nichts guts drauß. I. L. meines vettern, des churfürsten von Braunsweigs, heüraht hatt viel mehr bößes, alß guttes, zu wegen [gebracht] undt auff alle weiße eine ewige schande. Die hertzogin hatt mehr ursach, alß niemandts, [284] betrübt über ihrer dochter unglück zu sein; den hette sie sie nicht in ihrer erster jugendt zu der coquetterie undt gallanterie erzogen, so were sie nicht in daß unglück gefahlen, worinen sie nun steckt. Es seindt leütte hir, so nicht sagen, daß sie nicht criminelle geweßen, undt ein jung mensch, wie sie war, so sich küßen undt begreiffen lest, thut woll alles überige auch. Ihr habt ihr gar recht geantwortet, es were woll zu wünschen, daß nicht geschehen were, waß geschehen ist. Dieße hertzogin ist von gar geringer herkunfft undt es were ihr eine ehre geweßen, Monsieur premier valet de chambre zu heürahten. Denckt nun, wie sich daß zu einem hertzog von Braunsweig schicken kan! undt waß ihr geschehen, ist freylich vor ein groß glück zu rechenen; insonderheit ist es rar, daß ein verstandiger herr, wie hertzog Georg Wilhelm ist, ein mensch heüraht, mitt welcher er so viel jahr ohne heüraht gehaust hatt. Daß der fürst von Anhalt seine apoteckers-dochter vor eine fürstin gern wolte passiren machen, kan ich woll glauben. Aber seindt woll andere fürsten närisch genung, die sach passiren zu laßen undt eine solche creatur vor eine fürstin zu erkennen? Daß were ja gar zu abgeschmackt. Der hertzog von Holstein ist noch raisonabeller. Die arme du Fresne wirdt mühe haben, durch zu kommen können; den der krieg fengt starck undt gefährlich ahn. Die du Fresne oder Suzon, wie ich sie alß heiße, ist in dem fall possirlich, daß sie keine sprache recht kan undt also nie recht weiß, waß sie sagt. Ich werde meiner dochter zu wißen thun, wie content die graffen von Borckdorff von ihr sein. Der hertzog von Lotheringen undt mein dochter dencken ahn nichts, alß sich woll zu divertiren. Ich erfrewe mich Ewertwegen, daß es nun zu Franckfort wider lustig zugehen wirdt. Hir ist es nun gar still undt trawerig; man sicht lautter trawerig leütte, deren mener, kinder, verwantten oder freünde in den krieg gezogen sein; der krieg ist leyder nur gar zu rechter ernst. Brieffe gehen alzeit ihren weg undt ich hoffe, Eüch allezeit zu versichern können, daß ich Eüch recht von hertzen lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. April 1702 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 282–285
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0166.html
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