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Brief vom 6. Mai 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


167.


[285]
Marly, sambstag den 6 May 1702.
Hertzliebe Amelisse, gestern habe ich Euer schreiben vom 27 April zu recht entpfangen, will noch drauff antwortten, ehe ich wider nach Versaille fahre; den heütte gehen wir alle wider hin. Dieße reiße sein wir lang hir geweßen; den es war vergangenen mitwog 8 tag, daß wir herkommen sein. Gestern, wie ich Ewer schreiben entpfunge, kame ich eben von der jagt mitt I. M. dem könig. Die jacht war perfect schön. Der könig hatt kleine calesche undt kleine pferdtger; die renen aber so starck, daß man allezeit bey den hunden ist undt die jagt schir nie verliehrt, eben alß wen man zu pferdt were. Die jagt wehrte nur anderthalb stundte undt die hunde ersoffen den hirsch allernegst hirbey in einem weyer. Es war recht schön, alle die hunde mitt dem hirsch ins waßer zu sehen, alle die leütte, magnifiek gekleydt, so drumb herumb wahren, undt alle die jager, so auff den jagtshörner sehr woll blaßen. Es war ein recht specktackel, aber genung hirvon! Ich komme auff Ewer liebes schreiben. Suzon ist noch nicht hir ahnkommen; ich habe aber zeittung von Nancie gehabt, daß sie dortten ist. Die fraw von Rathsamshaussen ist auch dort, glaube, daß sie mitt einander kommen werden. Die fraw von Rathsamshaussen ist gar kranck zu Nancie geweßen, hatt also nicht eher kommen können. Ich habe, wie Ihr den woll secht, liebe Amelisse, Ewer schreiben noch nicht entpfangen. Man versichert mich aller ortten her, daß der romische könig gar gewiß auff dem Rhein kommen, habe aber nicht gehört, daß I. M. biß auff Franckfort werden, sondern man hatt mir gesagt, er würde zu Heydelberg bleiben. Die königin, wie man mir versichert, solle gar gewiß nicht mittkommen; also wirdt Franckfort nicht so sehr im glantz sein. Daß man sich zum krieg preparirt, ist kein wunder; den es ist ein außgemachte sach, undt glaube nicht, zu sehen, wie der krieg ahnfengt, daß meine kindtskinder nie den generalfrieden wider sehen werden. Louise hatt mir schon geschrieben, wie content die graffen von Brockdorf vom lotteringischen hoff sein. Ich habe es meiner dochter auch geschriben. Die kleine Rotzenhaussen ist all artig, aber kein große schönheit; sie gleicht ihrem vatter sehr undt schlegt viel mehr ins rotzenheüssisch alß veningerisch geschlegt. Es wundert [286] mich nicht, daß der fraw von Schelm ihre kinder nicht schön sein; den Schelm ist all heßlich undt die Gret nicht schön. Wo solten den die kinder die schönheit her nehmen? Sie müßen übel erzogen undt brutal sein, wen sie so geschwindt mitt den wörttern herauß wischen. Worumb verwundern sich die leütte, daß Ihr der Schelmin kinder undt sie selber vor freünde halt, da Ihr doch alle landtsleütte seydt undt von jugendt auff mitt der mutter bekandt seydt? Wir haben gar nichts neües hir, kan Eüch also, liebe Amelisse, nichts anderst sagen, alß daß ich Eüch allezeit recht lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Mai 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 285–286
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0167.html
Änderungsstand:
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