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Brief vom 3. Juli 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


173.


[293]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 3 Julli 1702.
Hertzliebe Amelise, gestern habe ich durch ein schreiben von ma tante, die fraw churfürstin von Braunsweig, wie auch durch eines von Ewer schwester leyder erfahren, daß der arme Carl Moritz gestorben, welches mir von hertzen leydt ist, undt beklage Eüch von grundt meiner seelen; den ich mir leicht einbilden kan, wie Eüch diß unglück zu hertzen gehen wirdt, Ewern lieben bruder verlohren zu haben; undt ich hin versichert, daß Eüch dießes noch ahn alle die andern erinern wirdt, so Ihr verlohren. Ich habe es nicht so baldt gehört, so ist mir gleich mein bruder seelig undt mein lieber Carllutz dabey eingefahlen, welche bey mir noch gar nicht vergeßen sein. Gott der allmächtige, so allein in solchen fällen trösten kan, wolle Eüch, lieb Amelis, auch trost verleyen undt daß hertzenleydt mitt taußendt freüden ersetzen! Ich will aber nichts mehr von dem unglück sagen, alß nur, wen er mich undt Eüch geglaubt hette undt nicht so viel gedruncken, glaube ich, daß er lenger gelebt hette. Jetzt komme ich auff Ewer schreiben vom 15 Juni, so ich vor ein tag oder 10 entpfangen habe. Hette ich Eüch aber damahlen geschrieben, hette ich Eüch gar keine gutte zeittung von meiner gesundtheit geben können; den ich habe 5 starcke acces vom fieber gehabt mitt einem gar starcken undt [294] truckenen husten. Es finge doll ahn. Ich wuste schir nicht, waß ich darvon dencken solte. Ich habe nichts gebraucht undt bin doch so von mir selber wider courirt. Ich hatte die fraw von Ratzsamshaussen gebetten, Eüch meinen zustandt zu berichten, welches sie, wie ich glaube, gethan hatt. Daß kalte wetter hatt mir geschadt, daß heyße wetter hatt mich wider zu recht gebracht. Daß zittern, so Ewer armer bruder in den gliedern gehabt, kame gewiß von viellem weindrincken. Ihr habt woll gethan, Eüch zu Ewerm unglück zu bereitten; allein ich bin versichert, so bereydt Ihr auch mogt geweßen sein, so wirdt es Eüch doch unerhört geschmertzt haben; den welche resolution man auch nehmen mag, so kan ein gutt gemühte solche unglück nicht mitt indifferentz ahnsehen, daß geblüdt regt sich in unß undt lest sich fühlen. Die Lutzenburgin, so Ihr gesehen, ist der madame des Alleure ihre schwester. Es ist war, daß sie ein doll leben zu Strasburg geführt hatt undt also kein wunder, daß sie die mansleütte cavallierement tractiren. Man kompt mir alleweill sagen, daß meine kutschen kommen sein. Ich werde ein wenig spatziren fahren; daß ist die eintzige artzeney, so ich brauche, undt ich befinde mich gar woll darbey. Biß mitwog werde ich nach Marly, alwo der hoff seyder vergangen mitwog ist. Adieu, liebe Amelisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juli 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 293–294
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0173.html
Änderungsstand:
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