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Brief vom 14. Juli 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


176.


[297]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 14 Julli 1702.
Hertzliebe Louise, gestern habe ich Ewern lieben brieff vom 6 dießes monts zu recht erhalten, bin Eüch sehr verobligirt, liebe Louise, Eüch so sehr vor meine gesundtheit zu interessiren, daß es Eüch zu einigem trost hatt in Ewerer betrübtnuß dinnen können, daß ich wider woll bin. Meine kräfften seindt mir zwar all zimblich wider kommen, allein ich huste noch undt der gantz halß hinden schlegt mir auß, wie ein art rodtlauffen, hoffe, daß alles übels dadurch fortgehen wirdt; allein wen man in meinen alter ist, muß [298] es woll ahnfangen, überall ein wenig zu hapern. Bißher habe ich mir meiner aderläß gar nicht zu rühmen gehabt; die mattigkeit hatt über einem mont gewehrt. Seyder ich auß der Pfaltz weg, ist mir der apetit gantz vergangen; ich habe nicht vier mahl deß jahrs hunger, undt waß gar rar ist, ist, daß, da ich viel aß undt 3 mahl oder gar vier mahl deß tags aß, da war ich mager wie ein stück holtz, undt nun, da ich gar wenig undt nur zwey mahl deß tags eße, bin ich so fett, daß ich mich nicht zu behelffen weiß. Daß macht mich glauben, daß es kein recht gesundt fett ist. Waß auch noch gar wunderlich ist, ist, daß, ob ich schon daß fieber starck gehabt habe, zur ader gelaßen, purgirt, so nehme ich doch nicht ab undt werde nicht mager davon; diß alles aber setzt mich in gantz keinen sorgen, ich werde gedultig erwartten, waß gottes will sein wirdt. Alle woche bekomme ich gar richtig zwey gnadige schreiben von ma tante, die fraw churfürstin zu Braunsweig Liebten, weiß also, wie es mitt der königin in Preussen stehet. Sie ist, gott lob, courirt, drumb hatt Eüch ma tante nichts mehr davon gesagt. Den fehler, so der arme Carl Moritz s. gehabt, hatt ihm leyder daß leben gekost; den ich bin versichert, daß er sich mitt dem vielem weintrincken die leber verbrent hatt; aber ein jedes hatt sein verhengnuß, undt waß vorsehen ist, daß muß geschehen. Es ist nicht zu zweyffelen, daß ihm sein fehler nicht solle leydt geweßen sein, also woll zu hoffen, daß er der ewigen freüden jetzt theilhafftig sein kan; die gelehrten aber, wie er war, haben ordinarie nicht die stärcksten glauben. Daß er deß lebens müde war, war ein zeichen von ungesundtheit; daß macht daß leben sadt undt müde. Daß miltz schlegt sich allezeit zu allerhandt kranckheitten, da kan ich auch woll von sprechen; den ich leyde viel ahm miltz, gibt mir aber nie keine disperate gedancken undt begehre gar nicht, zu sterben; aber wen es ahn dem kommen wirdt, daß ich doch werde sterben müßen, werde ich gar woll meine parthey faßen können undt auff gottes barmhertzigkeit mich verlaßen, getrost in jene weldt reißen. Mich deücht, daß nie kein jahr geweßen, alwo ahn 3 ortten krieg undt armeen sein, wo man weniger neües erfahren, alß nun. Nach dem fieber bin ich nicht schwehrmüttiger, alß vorhin. Es ist lengst, daß meine lust, wie man sagt, in brunen gefahlen undt vorbey ist. Ich glaube, ich stecke die fraw von Ratsamshaussen ahn; den mich deücht, sie ist diß jahr nicht so von [299] hertzen lustig, alß die andere jahr. Daß sie verobligirt ist, all ihr vieh zu verkauffen, weillen die armee ihr all ihr korn undt heü abgemehet hatt, mag auch woll ursach dran sein, undt sie ist auch noch in ängsten, daß ihr schlößel mögte abgebrent werden. Es ist leyder leicht zu errahten, liebe Louise, wie Ihr noch nicht lustig sein könt. Der soldat, so wider zurückgeloffen kommen, hette auch woll gesagt, wie der von der historie, so die fraw von Wollmershaußen alß verzehlte, so bang war undt alß zu seinem captein sagte: A, mon capitaine, vn pourpoint de toille double, de toille! a, qu’il y fait grand froid! Er zitterte aber nicht vor kälte, sondern vor angst. Man hatt zu Paris zwey tag gesagt, printz Louis were vor Landaw erschoßen worden; hernach haben sie gesagt, es were ein printz von Baaden Durlach; aber weillen nichts davon in den gazetten stehet, so Ihr mir geschickt undt wovor ich sehr dancke, glaube ichs nicht. Ich glaube, daß es Eüch graust, daß schießen von Landaw zu hören; den man dencken kan, daß es leütte umbbringt. Es schlegt zwölffe, ich muß in kirch. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit recht lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Juli 1702 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 297–299
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0176.html
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