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Brief vom 22. Juli 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


177.


[299]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 22 Julli 1702.
Hertzliebe Amelise, von meiner gehabten kranckheit will ich gar nichts weitter sagen; den ich bin, gott lob, nun in volkommener gesundtheit undt habe vorgestern Ewern lieben brieff vom 13 dießes monts zu recht entpfangen. Daß mir Carl Moritz todt zu hertzen gangen undt leydt geweßen, wie auch daß ich Eüch undt Louisse von hertzen drüber beklagt, davor merittire ich gantz undt gar keine dancksagung; es ist nur meine schuldigkeit. Ihr thut gar christlich undt woll, Eüch in den willen gottes zu ergeben; den sich viel dawider zu speren, hilfft zu nichts, alß sich selber kranck zu machen. Daß weibsleütte, so ordinarie all zimblich unglücklich, nichts nach dem sterben fragen, wundert mich nicht; aber daß Carl Moritz so gern gestorben, nimbt mich wunder. Wen Carl Moritz s. den wein nicht so sehr geliebt hette, were er ein [300] perfecter philosophe geweßen. Er hats aber thewer genung bezahlt; den ich bin sicher, daß daß sauffen sein leben verkürtzt hatt. Daß er nicht ohne drincken sein konte, erwieße, wie seine leber verhitzt undt verbrendt war. Ich wolte, daß er mir sein gutt gedachtnuß hette vermachen können; daß hette ich hir hoch von nöhten. Ich weiß woll, warumb man Carl Edewart nicht so woll hatt leyden können undt lieb haben, alß Carl Moritz. Er war zu tockmaußisch undt wolte sein leben seine meinung über nichts sagen; ich habe mein leben nicht auß ihm krigen können, waß er hast oder liebte, waß ihm gefelt oder mißfelt. Ich sagte ihm taußendtmahl: Sagt mir, waß Ihr gern thut, waß ihr gern habt! Da machte er nur ein reverentz, lachte verhont, aber sonst konte ich nichts auß ihm kriegen; daß ist langweillig undt macht ungedultig auff die lenge, habe ihn also bey weitem nicht so lieb haben können alß Carllutz. Ahn den kan ich nicht gedencken, ohne daß mir die threnen noch in den augen kommen. Man mag sich auch zu unglück prepariren, wie man will, so entpfindt mans doch, wens kompt; insonderheit wan man so gar nahe verwanten verliehrt, so rührt sich daß geblüdt. Es ist gewiß, daß man hoch von nohten hatt, von gutten freünden zugesprochen zu werden in solchen fallen; bin fro, daß die Ewerigen ihre schuldigkeit vericht. Lenor werde ich die mühe nicht geben, zu schreiben; den nun ich wider gesundt bin, werde ich es selber fleißig thun. Mein dochter macht sich eine große freüde, hofft, daß Ihr auff daß carnaval zu ihr kommen werdet; aber gott weiß, wo sie undt ihr herr in der zeit sein werden; den nach aller aparentz wirdt daß arme landt daß theatrum vom krieg werden. Gott gebe, daß ich mich in meiner meinung betriege! Ma tante hatt mir geschrieben, daß, wen die römische königin nach Franckfort kommen würde, wolle sie auch hin. Ich glaube aber nicht, daß I. L. sich resolviren werden können, nach Heydelberg zu ziehen. Waß Melac sagt, hatt mich lachen machen; mich deücht, ich sehe ihn mitt seinem rodten gesicht. Man hatt hir gesagt, printz Louis were todt, hernach, es wer ein margraff von Durlach umbkommen undt nicht der printz Louis; weillen aber nichts davon in den teütschen zeitungen stehet, so Ihr mir geschickt, so glaube ich es nicht. Monsieur de Varene weiß gar woll zu leben undt ist ein feiner man. Netancour kene ich gar nicht, ist, glaube ich, vom lotheringischen hoff undt nicht von dießem hoff, [301] ob er zwar ins königs dinsten. Monsieur de Varenes piquirt sich nicht, galand zu sein. Der graff von Brockdorf wirdt eine rechte thorheit thun, seine kinder her zu schicken, nach dem ichs ihm widerrahten; er könte keine schlimmere zeit dazu finden, alß eben nun, auß hundert ursachen; widerrahts ihm doch noch! Daß sie herrein kommen in Franckreich, ist leicht, aber nicht, wider herauß zu kommen; den man gibt gar keine pasport mehr seyder 14 tagen, da die declaration von krieg geschehen. Were der frantzösche hoff noch wie vor dießem, da man hir zu leben konte lehrnen! aber nun aber, da niemandes mehr weiß, waß polites ist, außer der könig undt monseigneur, da alle junge leütte ahn nichts alß pure abscheüliche desbauchen gedencken, da man die ahm artigsten findt, so ahm plumbsten sein, da wolte ich niemandts rahten, seine kinder bey zu schicken; den ahnstatt daß sie waß guts solten lehrnen, werden [sie] lautter untugendten lehrnen; also habt Ihr woll groß recht, übel zu finden, daß die Teütschen ihre kinder itzunder in Franckreich schicken wollen. Die seindt gewiß allezeit zu estimiren, die ihr gutt undt bludt vors vatterlandt geben, undt bin ich auch hirin Ewer meinung. Ich wolte, daß wir beyde mansleütte wehren undt im krieg; aber diß ist woll ein ohnnohtiger wunsch, man kans aber offt nicht laßen. Wen der römische könig den 13 zu Wehrthem geweßen, muß er all lengst vor Landau sein. Wir haben hir gar nichts neües, will derowegen schließen. Louisse ambrassire ich von hertzen undt versichere Eüch, liebe Amelisse, daß ich Eüch allezeit recht lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Juli 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 299–301
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0177.html
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