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A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Versaille den 31 December 1702.
Hertzliebe Louisse, vorgestern habe ich ein paquet von ma tante
bekommen, worinen ich ein schreiben von Eüch entpfangen vom 12
dießes monts. Es ist nahe bey 3 monat, daß ich nichts weder
von Eüch, noch von Amelisse, entpfangen; daß hatte mich glauben
machen, daß Ihr mir nicht mehr schreiben dörfft; drumb auß
forcht, Eüch in verdacht zu bringen oder händel zu machen, habe
ich auch nicht schreiben dorffen. Wen Ihr mir seyder 3 monat
geschrieben, müßen alle meine brieffe auffgefischt sein worden; den
es ist gewiß, daß ich keinen eintzigen seyder der zeit entpfangen
habe. Durch ma tante, die fraw churfürstin, gehen die brieff
sicher, wie Ihr segt; können einander also noch durch dieße
gelegenheit schreiben
[1]. Es ist doch eine abgeschmackte sach, daß man
nicht leyden will, daß wir einander schreiben; den wir wißen ja
die secretten vom stadt nicht undt mischen unß in keine
staadtshändel. Waß ist dem keyßer dran gelegen, daß wir einander
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sagen, daß wir unß lieb haben, ob ein heüraht oder kindttauff ist,
ob eine commedie woll oder übel gespilt wirdt undt dergleichen,
welches ja weder dem keyßer noch dem reich nichts ahngeht? noch
wer lebendig oder todt ist, können wir einander auch noch sagen,
ohne niemandes zu offendiren. Hir verbiedt mans nicht, in
Teütschlandt zu schreiben. Worumb verbiedt man den in Teütschlandt,
nach Franckreich zu schreiben? Aber waß ich auch sagen mag,
wirdt es doch nicht endern, will derowegen nur mitt Eüch der
gantzen christenheydt zum besten wünschen, daß es baldt frieden
moge werden. Die officirer stehlen sich ahn, alß wen sie den
frieden nicht wünschen, aber ich glaube es nicht; den bey dem krieg
kommen sie umb, weren blindt undt lahm. Es ist nicht naturlich,
daß man daß wünscht. Von Monsieur de Casqué habe ich mein
leben nichts gehört, es muß nichts besunders sein. Varene aber
kene ich gar woll. Der graff von Hohenloh ist zu bedawern. Der
krieg wirdt noch manche witwe machen. Ich finde nicht, daß es
ein glück vor die graffin von Hohenloh geweßen, bey ihrem herrn
biß ahn sein endt geweßen zu sein; den daß spectacle wirdt sie
nur noch mehr betrübt haben. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, danckt
doch hertzog Christian dinstlich meinetwegen vor die ehr, so I. L.
mir thun, sich meiner noch zu erinern, undt versichert I. L., daß
ich gar fleißig ahn sie gedencke! Die grösten fest seindt nicht, wo
man sich ahm lustigsten macht; wo man mitt gutten freündin ist,
denen man trawen kan, da macht man sich viel lustiger mitt, alß
in den großen geselschafften; also kan ich leicht glauben, daß
hertzog Christian gern bey Eüch ist. Er ist doch auch ein
Heydelberger, erinere mich seiner geburt, alß wens heütte wehre.
Hertzog Max muß daß geraß mehr lieben, wo er nicht bey Eüch
andern bleiben kan. Hirmitt ist Ewer lieber brieff vollig beantwortet,
liebe Louise! Weillen wir aber nun gantz zum endt von dießem
jahr sein, so kan ich nicht schließen, ohne Eüch undt Amelisse
ein glückseeliges neües jahr zu wünschen, daß Eüch gott der
allmachtige bey gesundtheit erhalten undt alles geben, waß Eüch ahn
leib undt sehl nutz undt seelig mag sein, auch alles, waß Ewer
hertz wünschen undt begehren mag. Adieu! Ich ambrassire Eüch
von hertzen, wie auch Amelisse, undt versichere Eüch beyden, daß
ich Eüch allezeit sehr lieb behalte.
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