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Brief vom 7. Januar 1703

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


183.


[314]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 7 Januari [1703].
Hertzliebe Amelisse, mein wollsein ist eben nicht, wie Ihr woll meint, undt werdet nun woll schon erfahren haben, wie ich beynahe 4 wochen einen so schlimmen fall gethan, daß ich, weillen ich einen fuß gantz verstaucht, noch die cammer hütten muß undt nicht mitt dem hoff nach Marly geköndt; bin hir in einer gar großen einsambkeit. Es wirdt aber nicht lang wehren; den biß sambstag kommen sie alle wieder her. Vor Ewern gutten neüjahrswunsch, liebe Amelise, dancke ich Eüch sehr. Ich glaube, daß alles, waß in der welt ist, unßerm herrgott zukompt undt alles, so gering es auch sein mag, nicht zu verrachten ist, wen es ein gutte intention hatt undt so auff tugendt gericht ist. Der abscheü von den comedien kompt nicht von wie sie nun sein, sondern wie sie geweßen vor dießem, da allerhandt unzucht drinen getrieben wardt. Weren sie geweßen, wie jetzundt, würde man es eher befohlen, alß verbotten haben, weillen sie, wen man es nimbt, wie man es nehmen solle, es mehr guts, alß bößes, zuwegen bringen kan undt, ich sage es noch, es mehr capable ist, die tugendt zu animiren, alß eine schlechte predig. Wie schickt sich Christus mitt Bellial? ist baldt gesagt. Es ist aber schwer zu expliciren. Der alte Adam muß sich finden in waß böß ist, aber waß zum gutten leyten kan, da verspürt sich der alte Adam nicht. Augen undt ohren kitzeln ist nicht schlim, wens nur, wie schon gesagt, zum gutten führt. Die prediger bestraffen die commedien, weillen sie vor dießen seindt bestrafft worden, da sie straffens würdig wahren. Es ist aber ein zeichen von ihrer ingnorentz, daß sie nicht examiniren, ob sie noch straffens würdig sein. Man wendt allzeit sein serieux zu gottes ehr, wen es die tugendt zum grundt hatt. Waß woll gerett undt schön ist, braucht kein lachen, sondern nur, waß ridiculle ist, undt kan ich nicht begreiffen, worumb mich etwaß ridiculles mehr vergnügen solle, alß etwaß serieux, so mir den weltlauff erweist, deßen man in dießer weldt woll zu studiren hatt. Aber in dießem allem liegt viel, wie man erzogen ist worden. Daß starcke lachen, insonderheit wen es ohne ursach geschicht, kompt vom miltz eben [315] so woll, alß weinen. Ich höre viel von der philosophie, die weldt vor nichts zu schätzen; aber in der pratica findts sichs wenig undt ich habe offt gesehen, daß, die sichs ahm meisten berumbt, offt die schwächsten in der noht gefunden. Ich gestehe meine schwachheit; geht mirs nach meinem gefallen, bin ich lustig; kommen mir verdrießlichkeit, bin ich unlustig, biß es vorbey ist. Ich strebe nicht wider dem allerhögsten, ich verzage nicht; ich dencke aber, daß er mich züchtigt, damit ich es entpfinden mag, bin also nach seinem willen lustig oder trawerig, nachdem es gottes wille ist; daß hindert weder seine vorsehung noch barmhertzigkeit noch daß vertrawen, so man dazu haben solle. Unßer humoren gehen auch, nachdem es unßer herrgott verhengt hatt, also muß einer woll mitt dem andern gedult haben; zudem so begreifft ein jeder nach dem verstandt, so ihm gott geben hatt. Ich muß lachen, daß Ihr sagt, damitt die damen auch plaisir haben mögen, so bey Eüch zu gast wahren, so hettet Ihr 3 messieurs dazu gebetten undt von 3 diferenten nationen. Ich wolte, daß die ministre d’estat mittel finden könten, dieße 3 nationen so woll zu vergleichen, alß Ihr gethan, so würden wir baldt einen gutten frieden haben. Da kompt meines sohns gemahlin mitt ihrer elsten dochter herrein, muß also schließen undt vor dißmahl nichts mehr sagen, alß wie ich Eüch allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Januar 1703 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 314–315
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0183.html
Änderungsstand:
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