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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 23 Novembris 1703.
Hertzliebe Louisse, vergangenen dinstag habe ich Ewern lieben
brieff vom 30 Octobris in ma tante paquet gefunden. Ich hette auch
gleich drauff geantwortet, allein deß marechals de Tallards sohn
kamme eben ahn undt brachte die zeittung, wie Landau capitulirte
undt sein h. vatter eine schlagt gegen meinen vettern, dem
erbprintzen von Cassel, gewonnen; aber es seindt auff beyden seytten
sehr viel leütte umbkommen. Des marechals duc de Noaille dochter
ist wittwe undt noch nicht 17 jahr alt. Ob der junge landtgraff,
mein vetter, zwar die schlagt verlohren, so gesteht man doch, daß
es nur seye, weillen auff dießer seytten viel mehr troupen wahren;
aber sie loben unerhört dießen printzen, sagen, man könne nicht
mehr hertz erweißen, alß er erwießen hatt, sie machen einen
rechten heros auß ihm. Daß solte ihn doch in seinem unglück trösten,
daß er seine feinde obligirt hatt, sein lob überall außzubreitten;
der könig hatt ihn selber gelobt. Damitt ich aber wider auff daß
komme, welches ich erst habe sagen wollen, so hatt mich alles daß
gethuns ahn schreiben verhindert, habe es biß heütte versparen
müßen; nun aber will ich schreiben, so lang es mir moglich; den
es ist schon nahe bey 9. Ich habe heütte schon 4 große brieffe
geschrieben, dießes ist der 5te. Von meiner kranckheit werde ich
nichts mehr sagen, den daß ist all lengst vorbey. Ob ich schon 28
paletten bludt verlohren, bin ich doch zu Fontainebleau, alwo mir
die lufft alß gar woll zuschlegt, gar geschwindt wider zu kräfften
kommen; ich hatte in allem nur 2 fischbein breit abgenohmen. Es
ist ein ellendt, wie die brieffe gehen; wen nur dieße ursach were,
solte man deß kriegs müde sein; ich sehe aber leyder noch gar
keinen ahnstalt zum frieden. Wie mir ma tante schreibt, so ist die
printzes von Churlandt nicht sehr von ihrem breutigam charmirt.
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Es ist ein schlegt exempel vor dieße princes, zu sehen, daß dießer
herr schon 2 mahl verliebt geweßen; mögte ihr auch woll
unbestandig werden nach dem beylager undt wen sie vielleicht
ahnfangen wirdt, ihn lieb zu bekommen. Daß gutte gemühte, so dießer
margraff hatt, wirdt ihn doch allezeit woll mitt seiner gemahlin
leben machen. Ich höre recht gern, wen man sich lustig macht;
daß kan ich mich nie berühmen, den mittags eße ich gantz allein
undt abendts bey dem könig, wo es stiller hergeht, alß in einem
closter. Weillen ma tante ja versichert ist, daß die liebe königin
dießen carnaval wider bey I. L. wirdt sein, also die separation
nicht lang wehren, deücht mich, daß sie sich woll ohne threnen
scheyden solte. Wolte gott, liebe Louisse, ich könte sehen, wie
ma tante undt die liebe königin einander begegenen! Aber zu
solchem erwünschten glück bin ich leyder nicht gebohren. Ich bin
fro, liebe Louisse, daß Ihr so content lebt. Teütschlandt muß
unerhört geendert sein seyder meiner abreiße; aber machen sie mehr
ceremonien, so wirdt die teütsche vertreülichkeit auffhören undt
sich selber in zwang setzen. Man kompt mir sagen, daß es zeit
nüber zu gehen ist. Es ist mir leydt, den ich war im laun, noch
braff zu blaudern; muß wider meinen willen schließen undt ein
ander mahl auff Ewere zwey überige schreiben vom 7 September
andtwortten. Nun aber ambrassire ich Eüch nur von hertzen, liebe
Louisse, undt versichere Eüch, daß ich Eüch allezeit lieb behalte.