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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Versaille den 25 Novembris 1703.
Hertzliebe Amelise, vergangen freitag habe ich Ewern lieben
brieff vom 6 November gar woll entpfangen in der Rotzenhaussen
paquet, bin fro, daß Ihr so woll mitt dießem freüllen zufrieden
seydt; den ich interessire mich noch alß vor sie, weillen sie bey
mir geweßen undt auch wegen ihrer mutter, die, wie Ihr woll
wist, meine gutte freündin allezeit geweßen ist. Ewere brieff
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kommen frischer über durch die Rotzenhaussen, alß über Hannover.
Es ist war, daß ich einen mont lang erschrecklich kranck gelegen
undt auff den todt gelegen bin, allein ich bin dem todt all lengst
wider entloffen undt bin nun, gott seye danck, all lengsten wider
in volkommener gesundtheit. Vor Eweren gutten wunsch zu meiner
gesundtheit dancke ich Eüch sehr, liebe Amelise! Dem armen
Rotzenheusserle habe ich leyder keinen gefahlen thun können, hette
es sonsten woll gern gethan. Wolte gott, liebe Amelisse, wir
konten einander einmahl wider sehen! Daß würde mir eine große
freüde sein. Ich sehe aber leyder wenig aparentz dazu. Der leydige
krieg ist woll eine abscheulich sach. Ihr werdet nun schon wißen,
wie erschrecklich mein vetter, der erbprindtz von Cassel, ist
geschlagen worden; hatt aber darneben ein großes lob erwohren undt
alle Frantzosen loben ihn so unerhort, daß es nicht zu sagen ist.
Man sagt auch, daß einer von dießes printzen herrn brüder
umb[kommen]. Es ist mir bitter bang, daß es printz Wilhelm ist,
welches mir woll recht von hertzen leydt sein würde; den ich habe
den artigen printzen recht lieb. Ich bitte, schreibt mir doch,
welcher es ist, so umbkommen! Ich bin versichert, daß Ihr auch woll
hertzlich betrübt umb hertzog Christian werdet geweßen sein. Ich
habe I. L. s. auch woll von hertzen beweint. Im überigen, hertzlieb
Amelisse, so ist es mir von hertzen leydt, daß ich Eüch die brieffe
vor monsieur de Verth undt Fomeront noch heütte nicht schicken
kan; allein ich kan solche brieffe nicht mitt eygener handt ahn
solchen leütten schreiben undt es ist meinem secretarius ein fluß auffs
aug gefallen, daß er wie halb blindt seyder ein par monat ist. Es
wirdt doch taglich beßer mitt ihm. So baldt er wirdt schreiben
können, will ich die brieffe machen laßen, welches nur auff ein par
tag außleüfft; so werde ich sie Eüch schicken. Gott gebe nur, daß
es Eüch nützlich sein mag! Undt worinen ich Eüch werde dinnen
können, werde ich es nie vor einige beschwerliche sach ahnnehmen,
sondern es mitt freüden thun. Die fürstin von Ussingen ist, wo
mir recht ist, ein freüllen von Lowenstein, also madame de
Dangeau schwester. Die Tauische famillie kene ich nicht; wen sie Eüch
nur woll divertiren, bin ich schon mitt ihnen zufrieden. Daß Ewer
brieff ein wenig geknikt ist, daß schadt nicht; ich formalissire
mich nicht so leicht. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben ordentlich
beantwortet; bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch von hertzen
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zu ambrassiren undt versichern, daß ich Eüch, liebe Amelisse,
allezeit lieb behalte.