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Brief vom 6. März 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


206.


[342]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 6 Mertz 1704.
Hertzliebe Louisse, vergangen sontag habe ich Ewern lieben brieff vom 8 Februari entpfangen, aber ich glaube, Ihr must Eüch verschrieben haben; den ich habe auch einen von ma tante bekommen, so vom 18 war. Es ist mir woll zu paß kommen, daß ich so viel brieff nach einander von ma tante bekommen, umb mich auß den abscheülichen ängsten zu ziehen, worinen mich die verfluchte Pariser gazette gesetzt hatte, welche im article von Brussel vom 14 Februari geschrieben, daß ma tante gefahrlich kranck were. Ich habe gleich zu dem gazettier geschickt, so sie so trucken lest, umb mich zu erkundigen, wo er die zeittung her hette; hatt er geantwortet, er hette einen corespondenten in Lotheringen, der hette es ihm mitt dießen umbständen berücht, daß die königin in Preussen bey ma tante wehre undt ihrer fraw mutter große sorge undt dinst leistete. Ich bin in dießen ängsten vom sambstag biß dinstag [343] gestocken, konte weder eßen noch schlaffen, biß endtlich der gutte ehrliche monsieur Cronstrom, der schwedische envoyes, mich wider zu recht gebracht, indem er mir versichert, daß er brieff von Hannover vom 16 entpfangen undt daß ma tante, gott sey danck, nicht kranck geweßen were. Ich wurde so erfrewet, daß ich ihn schir ambrassirt hette. Ich glaube warlich, man hatt mirs zu leydt in die gazette setzen laßen; den es gibt gutte leütte hir, wie Ihr auß dießer avanture judiciren könt. Ihr secht auch woll hirauß, wie hoch nöhtig es ist, daß Ihr fortfahren möget, mir zu schreiben. Liebe Louisse, Ihr thut gar nicht woll, Eüch vor der zeit alt zu machen undt schon der lust abzusagen; den glaubt mir! daß alter, wanß kompt, ist ahn sich selber langweillig genung; last Eüch also die lust noch nicht vergehen, so lang Ihr jung seydt! Wen Ihr Eüch jetzt so alt macht, waß werdet Ihr den thun, wen Ihr in meinem alter sein werdet? Die lust macht leben, die langeweille veralten, kranck werden undt sterben. Habt acht auff alle die, so ein groß alter erreichen! Sie werden alle einen lustigen humor haben. Spätt eßen thue ich auch nicht gern, jedoch ist man spät hir undt ist offt halb 11, wen man zum nachteßen geht. Alles, waß ma tante, die fraw churfürstin, da gethan, ist I. L. gesunder, alß ruhig sein undt langeweill haben undt ahn trawerige sachen gedencken. Die königin in Preussen ist daß leben gewohnt, so sie führt, undt die gewohnheit ist eine zweyte natur; schadet I. M. also nichts. Ma tante hatte mir nicht geschrieben, daß die liebe königin, dero fraw dochter, wie ein traum masquirt geweßen; also secht Ihr woll, daß I. L. Eüch noch waß zu schreiben überlaßen. Hir haben wir diß jahr gar keine masquen zu sehen bekommen, weillen I. L. die hertzogin von Bourgogne schwanger sein. Daß ich ahn den inten[dan]ten vor Ewere gütter geschrieben, bedarff nicht soviel danckens, liebe Louise! Ich thue nur meine schuldigkeit, wen ich mein bestes thue, Eüch beyden zu dinnen. Ich habs Amelise selber geschrieben. Durch Lotheringen schreibe ich ihr auch etlich mahl. Wir haben nun gar nichts neües hir, werden baldt in den (gott verzey mirs!) verdrießlichen woche kommen, wo man hir so unerhört lang in den kirchen stecken muß, umb nichts alß lateinisch zu singen hören, welches, unter unß gerett, eine langweillige sache ist; aber genung hirvon. Waß solle ich Eüch nun weitter guts sagen? Ewer brieff ist ordentlich beantwort undt ich weiß gar [344] nichts neües, will also vor dießmahl schließen undt nichts mehr sagen, alß Eüch bitten, liebe Louise, zu glauben, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. März 1704 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 342–344
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0206.html
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Tintenfass