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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 6 Mertz 1704.
Hertzliebe Louisse, vergangen sontag habe ich Ewern lieben
brieff vom 8 Februari entpfangen, aber ich glaube, Ihr must Eüch
verschrieben haben; den ich habe auch einen von ma tante
bekommen, so vom 18 war. Es ist mir woll zu paß kommen, daß ich so
viel brieff nach einander von ma tante bekommen, umb mich auß
den abscheülichen ängsten zu ziehen, worinen mich die verfluchte
Pariser gazette gesetzt hatte, welche im article von Brussel vom
14 Februari geschrieben, daß ma tante gefahrlich kranck were. Ich
habe gleich zu dem gazettier geschickt, so sie so trucken lest, umb
mich zu erkundigen, wo er die zeittung her hette; hatt er
geantwortet, er hette einen corespondenten in Lotheringen, der hette es
ihm mitt dießen umbständen berücht, daß die königin in Preussen
bey ma tante wehre undt ihrer fraw mutter große sorge undt dinst
leistete. Ich bin in dießen ängsten vom sambstag biß dinstag
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gestocken, konte weder eßen noch schlaffen, biß endtlich der gutte
ehrliche monsieur Cronstrom, der schwedische envoyes, mich wider
zu recht gebracht, indem er mir versichert, daß er brieff von
Hannover vom 16 entpfangen undt daß ma tante, gott sey danck, nicht
kranck geweßen were. Ich wurde so erfrewet, daß ich ihn schir
ambrassirt hette. Ich glaube warlich, man hatt mirs zu leydt in
die gazette setzen laßen; den es gibt gutte leütte hir, wie Ihr auß
dießer avanture judiciren könt. Ihr secht auch woll hirauß, wie
hoch nöhtig es ist, daß Ihr fortfahren möget, mir zu schreiben.
Liebe Louisse, Ihr thut gar nicht woll, Eüch vor der zeit alt zu
machen undt schon der lust abzusagen; den glaubt mir! daß alter,
wanß kompt, ist ahn sich selber langweillig genung; last Eüch also
die lust noch nicht vergehen, so lang Ihr jung seydt! Wen Ihr
Eüch jetzt so alt macht, waß werdet Ihr den thun, wen Ihr in
meinem alter sein werdet? Die lust macht leben, die langeweille
veralten, kranck werden undt sterben. Habt acht auff alle die, so
ein groß alter erreichen! Sie werden alle einen lustigen humor
haben. Spätt eßen thue ich auch nicht gern, jedoch ist man spät hir
undt ist offt halb 11, wen man zum nachteßen geht. Alles, waß
ma tante, die fraw churfürstin, da gethan, ist I. L. gesunder, alß
ruhig sein undt langeweill haben undt ahn trawerige sachen
gedencken. Die königin in Preussen ist daß leben gewohnt, so sie
führt, undt die gewohnheit ist eine zweyte natur; schadet I. M.
also nichts. Ma tante hatte mir nicht geschrieben, daß die liebe
königin, dero fraw dochter, wie ein traum masquirt geweßen; also
secht Ihr woll, daß I. L. Eüch noch waß zu schreiben überlaßen.
Hir haben wir diß jahr gar keine masquen zu sehen bekommen,
weillen I. L. die hertzogin von Bourgogne schwanger sein. Daß ich
ahn den inten[dan]ten vor Ewere gütter geschrieben, bedarff nicht
soviel danckens, liebe Louise! Ich thue nur meine schuldigkeit,
wen ich mein bestes thue, Eüch beyden zu dinnen. Ich habs
Amelise selber geschrieben. Durch Lotheringen schreibe ich ihr auch
etlich mahl. Wir haben nun gar nichts neües hir, werden baldt in
den (gott verzey mirs!) verdrießlichen woche kommen, wo man hir
so unerhört lang in den kirchen stecken muß, umb nichts alß
lateinisch zu singen hören, welches, unter unß gerett, eine langweillige
sache ist; aber genung hirvon. Waß solle ich Eüch nun weitter
guts sagen? Ewer brieff ist ordentlich beantwort undt ich weiß gar
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nichts neües, will also vor dießmahl schließen undt nichts mehr
sagen, alß Eüch bitten, liebe Louise, zu glauben, daß ich Eüch
allezeit von hertzen lieb behalte.