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Brief vom 30. März 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


207.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 30 Mertz 1704.
Hertzliebe Amelisse, ich habe zwar vergangen woche zwar Ewer liebes schreiben vom 1 Mertz zu recht entpfangen, aber nicht drauff [geantwortet]; den ob ich zwar drauff geantwortet hette, würdet Ihr meinen brieff nicht eher, alß dießen, entpfangen haben; den er were zu Luneville liegen blieben. In dem augenblick bekomme ich noch eins von Ewern lieben brieffen, werde auff beyde heütte zugleich andtwortten undt ahn daß frischte ahnfangen. Ma tante hatt nicht auff daß schreiben geantwortet, so Ihr ihr, liebe Louisse, von mir geschickt, weillen I. L. es nicht frischer gefunden, alß daß, so sie von mir über die Schweitz bekommen. Es bedarff keine dancksagung, daß ich ahn den intendenten la Houssaye vor Eüch geschrieben; den daß ist meine schuldigkeit, daß ich Eüch in alles dine, so in meiner macht stehet. Ich habe daß gutte werck, die fasten zu halten, nicht gethan; ich kan daß fisch eßen nicht vertragen undt bin ich gar woll persuadirt, daß man beßere wercke thun kan, alß seinen magen verderben mitt zu viel fisch eßen. Waß kans schaden, daß ich weiß oder nicht weiß, wer in deß Franckforter meß ist? Man ist woll scrupulos zu Franckfort, wen man daß übel finden kan. Weillen ich die ehre habe, den könig in Pohln zu kenen, jammert er mich; aber daß kan niemandts leügnen, daß er eine große thorheit gethan, sich zum könig in Poln zu machen; da kont man woll mitt warheit sagen: Hoffart kompt vor dem fall. Ich habe keine mühe, eine liste zu leß[en], die Ihr mir nicht schickt; allein wen Ihr zu fürchten habt, daß es Eüch handel ahnmacht, thut woll, die sach nicht zu wagen; den es were mir gar zu leydt, wen ich schuldig were, daß Ihr ungelegenheit bekämbt umb meinetwillen. Hirmitt ist Ewer letztes schreiben vollig beantwortet. Ich komme auff daß erste. Dießer erste ist nicht so frisch [345] ahnkommen, alß der zweyte; den entweder habt Ihr Eüch verschrieben, oder er muß nur 10 tagen unterwegen gewest sein. Daß freüllen von Rotzenhaussen bestehlt Ewere brieff gar fleißig. Ihre mutter ist nun hir seyder 8 tagen undt lustiger undt vom beßern humor, alß nie. Wen die zu Franckfort so wenig secret mitt ihren affairen sein, so wollen sie woll, daß jederman ihre rahtschläg wißen solle. Warumb solle man dan secreter sein, alß sie selber? Aber umb die warheit zu bekenen, so deücht mich, daß es nun so doll in Teütschlandt zugeht, alß wen die Teütschen keine Teütschen mehr wehren, undt wie ich davon höre, kene ich nichts mehr undt alles muß unerhört geendert sein. Ihr sprecht woll von der coquetten ihre qual, aber nicht von ihrer lust. Man leydt mehr umb die menschen, alß vor die seeligkeit, weillen menschen lieben sich zu unßere schwachheit schickt, die seeligkeit aber eine solche unbegreiffliche sache ist, daß es schwerlich ins menschen hertz kommen kan. Ich bin nicht coquet von meiner natur, daß kan man mir woll zeügnuß geben; aber ich begreiff, waß die menschliche schwachheit vermag, undt beklag die, so in solch unglück fahlen mehr, alß ich sie condamnire. Die prediger sagen auff den cantzlen, waß sie sagen müßen, aber nicht allemahl, waß sie dencken oder wißen. Ich gestehe, daß daß zeitlich nicht viel wehrt ist, aber daß ewige undt himellische ist schwer zu verstehen undt halte ich es vor eine pure gnade gottes, wen der almachtige erleücht, daß himmelische zu verstehen undt die seeligkeit dazu zu erlangen. Ich glaube, man muß gott fleißig drumb bitten, hernach aber auch sich nicht viel quellen, waß andere thun. Ein jeder hatt in dießer welt seine plag. Gott weiß allein, warumb er alles verortnet hatt undt wie er jedem seine zeit undt stunden gesetzt hatt; dem ergieb ich alles. Ich dancke Eüch sehr, liebe Amelisse, Eüch mitt mir wegen meines zweytten enckels geburt zu erfrewen. Lenor sagt, daß alle meine kindtskinder nicht heßlich sein. Warumb schreibt Euch daß Wilhelmel frantzösch? Ihr seydt doch beyde Teütschen. Adieu, liebe Amelisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt bitte Eüch, zu glauben, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. März 1704 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 344–346
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0207.html
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