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Brief vom 21. September 1704

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


218.


[356]

A mad. Amelie Elizabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Fontainebleau den 21 September 1704.
Hertzliebe Amilise, ich habe Ewer schwester brieff undt den Ewern in zwey posten entpfangen zwey tage nach einander. Ewer schreiben beyderseydts seindt mir nie beschwerlich zu leßen, leße sie mitt lust. Ich glaube, der englische resident (weillen er so viel von madame de Sangvitsch[1] helt) wirdt finden, daß ich gar zu naturlich andtworte, waß man mir fragt; aber waß ich geschrieben, ist die pure warheit. Die Engländer können woll nicht intriganter, alß die Frantzoßen, sein. Ich bin aber nicht politischer, alß Ihr, liebe Amelise, wie Ihr woll auß meinen schreiben verspüren könt; ich nehme selten ein bladt vors maul, wie man bey unß sagt. Ich [357] habe die liste verlohren, so Ihr mir geschickt; aber so viel ich mich deren erinern kan, so kene ich nur zwey von allen denen, so drauff stehen; die andern sein, wie ich glaube, nicht viel besunders. Monsieur de Prié ist von qualitet. Ich kene ihn woll, war vorm jahr aide de camps vom duc de Bourgogne undt ist der marechalle de Lamotte naher vetter; madame de Vantadour ist also auch seine baß. Dieße dame ist mein dame d’honneur geweßen. Sie ist die erste duchesse von Franckreich; also kan sie keine dame d’atour sein. Sie ist nun sambt ihrer mutter kinderhoffmeisterin des enfants de France; daß ist gar eine große charge bey hoff; aber ich sehe woll, daß Ihr wenig von dem handel hir wist. Es seindt wenig leütte bey hoff, so ihre haar tragen; es ist aber war, daß monsieur de Prié seine noch hatt. Wen sie gemeint, sie könten nicht geschlagen werden, so solten sie sich beßer gewehrt undt nicht ergeben haben, wie sie gethan. Der könig hatt die hart abstraffen laßen, so sich so übel gehalten haben. Die Engländer, deücht mir, seindt ordinarie ahn schonsten; milord Malbourug war vor dießem schön undt woll geschaffen. Man rufft mich; ich muß in kirch. Dießen abendt werde ich Ewern lieben brieff ferner beantworten, nun aber betten gehen.
Umb 6 abendts.
Ich komme jetzt eben auß der kirch undt halte mein voriges versprechen. Es ist kein wunder, daß man den Frantzoßen ihr qualitet nicht ahnsicht; es seindt gar gemischte wahren. Monsieur de Prie ist der eintzigste, so hir von hoff ist; also kein wunder, daß er manirlicher, alß die andern, ist. Man hatt die fürstin von Hannaw schon todt gesagt; sehe doch, daß sie es noch nicht ist. Solte sie zu sterben kommen, were ihr herr ein gutte parthey; den man hatt recht, ihn einen fetten brocken zu heißen; den er ist gar reich, hatt auch verstandt, aber die person ist nicht gar ahngenehm. Jedoch, wen Ihr ihn bekommen könt, wolte ich Eüch nicht rahten, ihn außzuschlagen; den die parthie ist gutt undt sortable; aber waß ihm bestimbt ist, wirdt er bekommen. Es ist woll war, daß, wer sich in seinen standt vergnügen kan, beßer ledig, alß geheüraht, ißt; aber wer sich heürahten will, thut woll, einen reichen man zu nehmen. Hiemitt ist Ewer schreiben völlig beantwortet, wünsche Eüch eine glückliche undt vergnügte reiße nach Hannover undt werde Eüch allezeit lieb behalten.
[358] Wie ich eben mein paquet machen wolte, entpfange ich Ewer schreiben von 11 dießes monts, will gleich drauff andtwortten. Ihr tuht mir einen rechten gefahlen, fleißig zu schreiben. Ich habe alleweill Ewere liste geleßen; dieße alle seindt leütte von qualitet undt vom hoff. Damitt Ihr aber beßer noch wißen mögt, waß sie sein, so schicke ich eine andtwort auff Ewere liste. Wen Ihr mitt Valsemé sprechen wolt, werdet Ihr ihn vor keinen Frantzosen halten; er kan undt redt beßer teütsch, alß ich. Grüst ihn von meinetwegen! Er ist mein gutter freündt undt ein ehrlich mängen. Er ist der eintzige Frantzos, so recht gutt teütsch kan, im palais royal erzogen. Sagt ahn Valsemé, daß ich Eüch gebetten, ihn zu distinckiren alß mein gutter freündt! Es ist war, daß viel hir geschminckt sein; es seindt aber auch viel, so es nicht sein. Die mäner lachen über schminck, nichts gefählt ihnen doch beßer. Ich will madame de Vantadour sagen, daß ihr vetter, monsieur de Prié, so zu Franckfort brillirt. Daß wirdt ihr wunder nehmen; den hir brillirt er nicht so sehr. Hirmitt ist Ewer letzter brieff vollig beantwort, werde jetzt ahn mein tochter schreiben. Marechal de Tallart, monsieur de Monperoux, monsieur de Blanzac (ist contesse de Roye ihr sohn), monsieur de Valsemé, monsieur de Lassé, dieße alle seindt von gutten heüßern, Sassenage gutter edelman, aber nicht von so großen hauß, alß obgemelte. Monsieur de Sessac kene ich nicht. Chevalier de Croissy ist des ministers bruder. Leone ist des verstorbenen minister sohn. Lavalliere ist geschwisterkindt mitt der printzes de Conti undt deß marechal ducs de Noailles dochterman. Sepeville ist deßen bruder, so abgesanter vom könig zu Wien geweßen, ein edelman. Ich glaube, daß Ihr Sessac vor Jussac geschrieben; ist madame d’Orleans, alß sie noch mademoiselle de Blois war, ihrer hoffmeisterin sohn. Den Ihr Hauteville heist, mag woll Hauttefeüille sein, ist auch von condition; sein oncle war abgesanter von malteyschen ordre zu Paris. Mich deücht, ich sehe Tallart allein sprechen; daß hatt er all sein leben gethan undt macht darbey abscheüliche grimassen. [359]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. September 1704 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 356–359
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0218.html
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