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Brief vom 14. Februar 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


226.


[368]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 14 Februari 1705.
Hertzliebe Louise, wie unerhört ich erschrocken bin, auß ma tante undt Ewerem schreiben vom 3 dießes monts, so ich heütte morgen entpfangen habe, zu vernehmen, welch ein abscheüliche verlust wir alle ahn der lieben s. königin in Preüssen gethan, kan ich Eüch nicht außsprechen. Liebe Louise, es betrübt mich woll von grundt meiner seelen undt setzt mich in solchen erschrecklichen sorgen wegen ma tante, die fraw churfürstin, daß ich weder rast noch ruhe haben kan. Die augen thun mir so wehe, daß ich sie nicht mehr auffthun kan, undt der kopff auch; den seyder heütte morgen umb ein viertel auff 12 biß nun, da es nahe bey 5 ist, habe ich nicht auffgehört zu weinen. Ich kan ahn ma tante ihren standt ohne graußen nicht gedencken undt sie erbarmbt mich so erschrecklich, daß es mir schir daß hertz bricht, undt bin noch darzu in continuirlichen sorgen. Gott der allmächtige wolle unß beystehen undt ma tante trost verschaffen undt I. L. diß unglück [369] helffen überstehen undt sie erhalten! Ach, mein gott, die liebe königin s. hatt mir in allen occassionen so viel gnadt undt freündtschafft erwießen, daß ich sie recht von grundt meiner seelen lieb hatte undt regrettire. Sie ist nicht unglücklich, ruhig undt seelig gestorben zu sein; aber wen sich nur ma tante trösten könte! Wen ich ahn dero großen verstandt undt fermeté gedencke, so hoffe ich, daß I. L. diß abscheüliche unglück überstehen werden; wen ich aber gedencke, daß mitt dießem todt alle ihre freüde dahin ist undt welche eine unaußsprechliche tendresse sie vor die seelige königin gehabt, so förchte ich, daß ihr hertz es nicht würde außstehen können. Gott wolle unß gnädig davor bewahren! Ich wolte lieber gleich in dießem augenblick sterben, alß dießes unglück zu erleben. Ewer brieff war gar nicht confüs geschrieben, ob Ihr zwar so viel zu thun habt, wie ich leicht gedencken kan. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, wen Ihr I. L. den churfürsten von Braunsweig wider sehet, macht ihm doch mein compliment undt sagt I. L., wie hertzlich ich mitt part in dießem abscheülichen unglück nehme, wie auch ahn patte undt hertzog Ernst August! Es ist, so zu sagen, ein glück, daß ma tante nicht bey dießem trawerigen spectacle geweßen; sie hette es ohne sterben nicht außstehen können; zudem so würde es der sterbenden königin auch zu nahe gangen sein, undt glaube nicht, daß sie ihre fermeté gegen ma tante threnen hette halten können. Ach, liebe Louisse, ich acceptire die offre gern, daß Ihr mir fleißig schreiben mögt. Man helt mir meine brieffe auff hir; daß, so ich gestern hette haben sollen, ist noch nicht ahnkomen undt die, so ich heüte entpfangen, hette ich schon vergangen montag oder dinstag haben sollen. Ewere schreiben, liebe Louisse, seindt so exact, daß man gantz in ruhen ist undt woll sicht, daß man recht erfahrt, wie die sachen stehen; also wirdt es mir ein rechter trost sein, brieffe von Eüch zu bekommen. Mein gott, warumb hatt gott der almächtige mich nicht eher, alß dieße liebe königin, genohmen, woran ma tante noch lang trost undt freüde hette haben können? Undt ich bin ja zu nichts nicht nutz undt habe lang genung gelebt. Aber man muß woll wollen, waß gott will, undt sich in seinem h. willen ergeben, in deßen schutz ich Eüch hirmitt befehle undt versichere Eüch, liebe Louisse, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
[370] P. S.
Ich sage nichts auff Ewer schreiben vom 30 Januari, so ich vergangen sontag entpfangen; den es ist leyder nichts mehr darauff zu sagen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Februar 1705 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 368–370
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0226.html
Änderungsstand:
Tintenfass