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Brief vom 5. März 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


231.


[373]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 5 Mertz 1705.
Hertzliebe Amelise, vergangenen dinstag, wie ich zu Paris bey meinen kindtskindern ware, habe ich Ewer schreiben vom 26 Februari zu recht entpfangen. Louise hatte mir geschrieben, daß Ihr nach dem s. absterben der lieben undt schönnen königin in Preüssen auch kranck geweßen seydt. Daß, meinte ich, hette Eüch ahn schreiben abgehalten; bin fro, daß Ihr wider gesundt seydt. Mein leben hatt mich nach Monsieur s. todt nichts mehr erschreckt undt bestürtzt, alß dießer schönnen königin so geschwinder todt, welchen ich woll von grundt meiner seelen beweint habe. Es ist woll war, liebe Amelise, daß dießes sehr moralisiren macht. Waß Eüch dabey eingefallen, gemandt mich ahn daß lutherische todtenliedt, daß ich offt gesungen, wie ich zu Hannover war.
Heütt seindt wir schön, gesundt und starck,
Morgen todt und ligen im sarck.
[374] Heütt blühen wir wie die roßen rot,
Baldt kranck undt todt.
Ist allenthalben müh undt noht.
Ich kan nicht begreiffen, warumb man ma tante nicht gleich auß dem hauß geführt hatt, so baldt sie ihr unglück erfahren; den in demselben hauß zu sein, wo der todten corper ist, daß ist etwaß abscheüliches, so die betrübtnuß stündtlich verneüern muß. Ich bin lenger, alß 10 nächte, geweßen, daß ich nicht habe schlaffen können auß ängsten vor ma tante, die fraw churfürstin, biß ich vernohmen, daß es, gott lob, beßer wirdt. Es ist beßer, liebe Amelisse, daß ma tante sich nicht zwingt undt ihre threnen fließen lest, alß wen I. L. sich verhalten solte, welches gar ungesundt were. Ach, hette ich die wahl können haben, würde ich auch woll vor dieße liebe königin gestorben sein; den die königin hette ma tante über mich trösten können, ich kan I. L. aber nicht über dieße ahngenehme königin trösten, leyder; aber gott der allmachtige hatt es so vorsehen, dem man woll still halten muß undt sich in seinem h. willen ergeben. Es graust einem, wen man ahn dießem carnaval gedenckt. Es ist keine albertet, nichts lustiges vorzubringen, liebe Amelisse, wo nichts alß trawerige sujetten vorhanden sein. Es wäre unmenschlich, solch unglück nicht zu entpfindten. Adieu, liebe Amellisse! Seydt versichert, daß ich Eüch recht lieb behalte werde! Ambrassirt Louise von meinetwegen!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. März 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 373–374
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0231.html
Änderungsstand:
Tintenfass