[379]
A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 15 Mertz 1705.
Hertzliebe Louise, Ihr tuht mir einen rechten gefallen, fort zu
fahren zu schreiben undt mir ma tante standt undt gesundtheit zu
berichten. Daß I. L. noch taglich weinen, ängstet mich; den ob sie
schon nun nicht kranck sein, kan es doch auff die lenge kein gutt
thun; den es ist gantz gegen ma tante natur, trawerig zu sein.
Miltzsüchtigen, wie ich bin, denen kans nicht so viel schaden; den
es felt in ihre natur; aber die, so von natur gar lustig sein, greifft
es viel harter ahn. Ich wolte, daß sie von ort endern könten undt
irgendts hingehen, wo sie die liebe königin nie gesehen. Ich zittere
vor ängsten, wen ich dencke, wie der abzug von der königlichen
leiche alles wider verneüern wirdt. Mich verlangt unerhört, wie
daß wirdt abgeloffen [sein]. Ich bitte, liebe Louise, schreibt mirs
doch, so baldt möglich sein wirdt! Nichts in der weldt endert den
humor, alß große verlust undt betrübtnuß. Seyder ich I. G. den
churfürsten, mein herr vatter s., wie auch meinen armen bruder
undt fraw mutter, verlohren, finde ich woll in mir selber, daß ich
nicht mehr bin, wie ich vorher geweßen. Mein sohn, so ich
verlohren, ginge mir auch abscheülich zu hertzen. Zu alle wünsche,
so Ihr, liebe Louise, vor ma tante thut, sage ich von hertzen
amen. Ich bin Eüch auch sehr verobligirt, mir so viel guts zu
wünschen. Gott behütte mich nur vor ferner betrübtnuß! ahn
freüden dencke ich nicht mehr. So lange ich aber leben werde, seydt
versichert, daß ich Eüch sehr lieb behalten werde!