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Brief vom 16. Mai 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


247.


[394]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hanover.

Marly den 16 May 1705.
Hertzliebe Amelise, heütte morgen, habe ich Ewer liebes schreiben von 5 dießes monts zu recht entpfangen. Es ist ma tante gar woll erlaubt, unßer secretten zu leßen. Ich weiß nicht, waß ein breytiegel ist, undt habe nie davon gehört. Es ist nicht ohn, daß es eine betrübte sache ist, andere weg zu reyßen sehen, wo man gern bey ist, undt allein zu hauß zu bleiben. Jedoch so sehe ich, daß Ihr Eüch in der abweßenheit vom hoff zimblich lustig gemacht habt, welches ich Eüch von hertzen gönne. Daß [kann] ich mich hir nie berühmen, mich mitt gutten freünden lustig gemacht zu haben; den daß geschicht mir nie, undt ob wir zwar hir 14, 15, 16, ja 17 personnen ahn einer taffel eßen, geht es stiller her, alß in einem nonenrefectoir. Ein jedes ist vor sich weg undt wirdt kein wordt gesprochen, noch ahn kein lachen gedacht. Der Wendt, so mitt Eüch geßen, war es mein Wendt oder ein Wein, so ma tante page geweßen? Wens der meine ist, mögt ich wißen, ob er [395] sein Teütsch wider gelernt hatt; den hir hatte er es gantz vergeßen, verstundt kein eintzig wordt mehr. Monsieur Ortance ist noch von meiner kundtschafft. Wie ich zu Hanover war, hatte ich ein waschmagt, die hieß Felitz; da wurde signeur Ortence sehr verliebt von. Daß sprichwort: Es seindt keine poßen, wen alte weiber tantzen, hatte ich noch nie gehört, hatt mich lachen machen; daß geschicht mir nicht offt. Ich weiß nicht, ob monsieur Frissendorf die cittation vom opera von Alceste vor gültig helt. Es wer eine große kunst, wen Ihr I. L. den churfürsten zahm machen kontet. Ihr seydt dem churfürsten undt churprintzen ja nahe genung, umb Eüch zu besuchen können. Zudem so war seine fraw mutter, die printzes von Allen, ja wie Ihr auch; hatte sie ein beßer glück gehabt, so hatt sie es doch nicht so woll meritirt alß Louisse undt Ihr. Soubliciren ist ein nagelneü wordt, hir sagt man solicittiren. Waß ist der licent? Daß verstehe ich gar nicht, liebe Amelise! Waß mogt Ihr den woll zu Hannover geben müßen? ist es kopffgelt, wie hir vielleicht? Ich weiß nicht, wie Ihr nun seydt; aber wie Ihr ein kind wahret, waret Ihr gar nicht heßlich; weiß nicht, wie Ihr geworden seydt. Es ist etwaß rares in dießem siecle, sich zu berühmen können, daß man viel gutte freündte [habe]. Weret Ihr hir, würde Eüch daß zahnblecken greülich vergehen; den alles ist bludtsserieux undt daß lachen gar nicht mehr a la mode. Daß Ihr Eüch nichts ahnfechten laßet, da thut Ihr gar woll ahn; nichts ist gesunder. Ich habe Eweren brieff, liebe Amelisse, gar nicht zu lang gefunden undt habe recht gern, daß Ihr naturlich undt ungezwungen mitt mir sprecht. Außer der kirch bett ich nie in einen buch, mache alle meine gebetter selber. Ich wolte doch daß buch woll sehen; den es muß eine große arbeydt sein. Es ist kein Carteyßer, so ein stiller undt einsamer leben führt, alß ich. Ich glaube, ich werde endtlich daß reden verlehrnen, jedoch werde ich nun hinfüro ein wenig mehr reden; die fraw von Rotzenhaussen kompt heütte abendts oder morgen ahn, mitt der überlege ich noch woll die alten geschichten unßerer jugendt. Ich will Eüch woll mein leben hir sagen. Alle tag, außer sontag undt donnerstag, stehe ich umb 9 auff, hernach knie ich nieder undt verichte mein gebett undt leße mein psalm undt capittel in der bibel. Hernach waß ich mich, so sauber ich kan; nach dem schelle ich, den kommen meine cammerweiber undt ziehen [396] mich ahn, umb 3/4 auff 11 bin ich ahngethan; den leße ich oder schreib. Umb 12 gehe ich in die meß, welche keine halbe stunde wehrt; nach der meß rede ich mitt meinen oder andern damen. Umb 1 precis geht man zur taffel. Gleich von der taffel gehe ich in mein cammer ein viertelstundt auff undt ab, darnach setze ich mich ahn meine taffel undt schreibe. Biß umb halb 7 laß ich meine damen hollen, gehe eine stundt oder anderthalb spatziren, den wider in mein cammer biß zum nachteßen. Ist daß nicht eine rechte einsidelley? Etlich mahl fahr ich auff die jagt, daß wehrt eine stundt, 2 auff högst, den wider in meine cammer. Auff der jagt bin ich gantz allein in einer caleschen, schlaff offt ein, wen die jagt nicht zum besten geht. Man ist umb 10 zu nacht, umb 3/4 auff 11 geht man von [der] taffel; den zihe ich meine uhren auff, thue mein sackzeüg in einem korb, ziehe mich auß. Umb 12 gehe ich wider, wo ich morgendts hingehe, leße dort undt den zu bett. Daß ist mein gantz leben, welches eben nicht gar lustig ist. So lang es wehren wirdt, werde ich Eüch allezeit recht lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Mai 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 394–396
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0247.html
Änderungsstand:
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