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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.
Fontainebleau den 7 October 1705.
Hertzliebe Amelise, ich bin fro, daß Ihr so ungern die post
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verseümbt. Es ist nicht nöhtig, allemahl waß artigs zu schreiben;
ich bin schon zufriden, wen ich nur weiß, wie es Eüch undt
Louisse geht. Gott gebe, daß die einigkeit zwischen beyden jungen
fürstlichen eheleütten imer wehren mag! Ich wünsch es mehr, alß
ich es hoffen darff; den die welt ist so beschaffen, daß, waß gutt
ist, selten lang wehrt. Ich admirire in Eüch, liebe Amelisse, der
menschen prevantion undt daß Ihr vor so gar übel haltet, [was
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vielle vor so gutt halten. Ich bin in der sache neutral. Ich laße
jederman seine fantesien undt halte weder guts noch böß davon. Ich
sehe, daß es ein alter glaub ist; bin verwundert, daß so viel leütte
daß vertrawen drauff setzen können; aber ich bin nicht so
verwundert über diß alles wie Ihr; den ich bin persuadirt, daß ein
starcker glaub undt jmagination viel zu wegen bringen kan, wie man
ahn den schwangern weibern sicht. Wir armen menschen wißen
wenig, wie alles zu[geht]. Ich bin aber woll Ewerer meinung, daß
es beßer were, spitäller zu bawen, alß reliquien zu ziehren; glaube
auch, daß es den heylligen selber beßer gefallen solte. Aber wen
der papst I. L. dem churfürsten die reliquien gar thewer abkauffen
solte, finde ich, daß I. L. gar woll thetten, sie nach Rom zu
schicken. Thun die pfaffen naredeyen mitt, ists vor sie; daß geht
dem churfürsten gar nicht ahn. Adieu, liebe Amelise! Seydt
versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!