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Brief vom 5. November 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


274.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 5 November 1705.
Hertzliebe Amelise, mich deücht, unß[er] commers ist nun gar reglirt; Ihr enpfangt gar just meine brieffe undt ich die Ewere. Meine andtwort kompt aber waß langsam, weillen ich ohnmöglich sontags andtwortten [kann], undt ma tante paquetten kommen diß jahr nur sambstags ahn. Es geht doch noch geschwinder her, alß wie Ihr noch zu Franckfort wahret. Ich muß lachen, daß Ihr so über der manßleütte leben verwundert seydt. Wen man Eüch hir so verwundert drüber sehen soltet, würde man Eüch [sagen]: Vous n’aves donc veüe le monde que par le trou d’une bouteille. Den die welt ist allezeit so gewest zu allen zeiten undt wirdt auch woll so bleiben biß ahns endt. Heyden oder Christen, wo menner seindt, da ist desbauche. Wer ohne man leben kan, ist nicht die unglücklichste. Ma tante mag alß eine witwe vielleicht nicht so viel haben, eine graffin zu erhalten können, aber es were eben I. L. dem churfürsten eben keine sündt im h. geist, wen er eine reichsgräffin, wie Ihr seydt, undt sein geschwisterkindt ernehrte undt ahn seinem hoff desfrairte; da könte er keine schandt von haben, ist auch jetzt reich genung dazu. Schencken ist gutt undt genereux, es muß aber mitt maß geschehen undt wie daß alte sprichwort lautt, so in meinem teütsch schreibbuch stundt: Es muß sich ein jeder strecken nach seiner decken. Es ist eine rechte schandt, daß Eüch Churpfaltz nicht bezahlt. Gott gebe baldt einen gutten friden, daß I. L. kein pretext mehr haben mögen, Eüch daß Ewerige aufzuhalten! Ich habe nie gedacht, [daß Ihr] auff ma tante unkosten lebt. Molliere hatt viel artige commedie gemacht, ich glaube aber wie Ihr, daß Tartuffe die beste ist. Le missantrope ist auch gutt undt Les fammes savantes. Pourceauniac undt monsieur Jourdain da muß man diß landt beßer kenen, umb es artig zu finden, insonderheit Paris. Hirmitt ist Ewer brieff vollig beantwort. Seydt versichert, liebe Amelise, daß ich Eüch allezeit lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. November 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 419–420
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0274.html
Änderungsstand:
Tintenfass