[427]
Versaille den 9 December 1705.
Hertzliebe Amelise, ich glaube, daß Ihr fro seydt, daß der
hoff wider zu Hannover ist; den bey itzigem wetter ist kein spaß,
offt hin undt her zu fahren. Wens unglück nur auff die coeffure
felt, gehts woll hin; man könte aber auch bey dem schlimen
feüchten wetter woll einen scheffen kopff oder gesicht durch flüße
bekommen. La mort de Pompée
[1] ist ein schön stück undt baron de
la Crasse
[2] recht artig; deß königs leves, wie man es hir heist, ist
woll recht naturlich beschrieben, wie es dort hergeht. In den
serieussen commedien kan ich Ewere meinung gar nicht sein. Die
commedianten übel recittiren, wen sie sprechen, wie man list.
Einerley posturen sollen sie auch nicht machen, sondern die
mouvementen agiren, wie man die passionen fühlt. Wen man die
passionen regiren solte, wie sie in den serieussen commedien von
Corneille regirt werden, wehren sie mehr zu loben, alß zu schelten.
In der kirch lehrt mans unahngenehm, aber in den commedien
wirdt es ahngenehm vorgestelt, wie die tugendt belohnt undt laster
gestrafft werden. Einen kerl, den man nie widersprechen darff,
eine gantze stundt allein zu hören ruffen, mag woll gutt sein, aber
gar nicht ahngenehm. Wen man blaudern will, hatt man nicht
nohtig, in commedien zu gehen; den wen man blaudert, hört man
nichts, undt also unnöhtig, in der commedie zu sein. Einfähl zu
hören, gerewet einem offter, alß commedien zu hören. Es ist woll
[428]
war, daß niemandt größere vivacitet in der weldt hatt, alß ma
tante, die fraw churfürstin. Bier trincken thut dazu nichts; daß
seindt geburtsstück, daß gibt sich nicht undt nimbt sich nicht, alß
durch todtliche kranckheitten. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben
vollig beantwortet; bleibt mir nichts überig, alß Eüch zu versichern,
daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.