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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hanover.
Versaille den 9 December 1705, um 8ten abendts.
Hertzliebe Louisse, ich schreibe Eüch heütte, ob es zwar erst
morgen mein schreibtag ist. Allein weillen mich mein miltz bey
dem schlimen wetter ein wenig plagt undt mir ordinarie keine ruhe
lest, biß ich es braff geschüdelt, alß werde ich morgen ein tour
nach Paris thun, meine enckelen besuchen undt daß opera sehen
undt nach dem opera wider her. Ich kan also morgen ohnmöglich
ahn Eüch schreiben. Ich dancke Eüch, liebe Louise, vor daß
pflaster von Nürnberg, so Ihr mir geschickt; es solle daß rechte
sein. Ich hette gern getrucktes, wozu es alß gutt ist. Ihr schreibt
mir nicht, waß es kost. Man bitt mich noch umb mehr; werdt
mir also gefahlen thun, mehr zu schicken undt vom besten.
Exercitzien ist ma tante allezeit woll bekomen. Die comedien gefahlen
mir woll oder übel (wen sie ahn sich selber gutt sein), wie sie
gespilt werden; werden sie woll gespilt, sehe ich gern eine serieusse,
so mich touchirt, undt darnach habe ich auch gern waß zu lachen
wieder. Nach die kleyder sehe ich nie nicht, weiß nie, wie sie
gekleydt, es seye den etwaß ridiculles. Die serieussen sachen in
der weldt werden nicht so ahngenehm vorgebracht, alß in den
commedien. In den historien seindt mehr lügen, alß in den commedien;
den da raisonirt man undt gibt ursachen von den evenements, woran
kein mensch nie gedacht hatt. Die commedien seindt, wie die weldt
geht. La mort de Pompée ist ein recht schön stück. Solche noble
sentiementen nehren die seel undt thun mehr guts, alß eine predig;
den man meint, der prediger seye davor bezahlt, über die laster
zu schmehlen; aber durch exempel zu sehen, waß lob die tugendt
erwirbt undt waß verachtung daß laster nach sich zicht, daß
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touchirt mich mehr. Ihr betrigt Eüch woll, wen Ihr meint, daß kein
zusatz in den historien ist; nichts ist partialler. Mich verlangt auff
die zukünfftige post, umb zu erfahren, ob ma tante vapeur zu
keinen fieber geworden sein. Die vapeurs möchten woll kommen, daß
ma tante etliche trawerige erinerungen verschluckt, so Hannover
I. L. geben hatt. Waß mich diß glauben macht, war die rohte
naß undt augen, so Ihr sagt, liebe Louisse, daß I. L. gehabt
hatten, daß sie also woll threnen mag verbißen haben, welches sehr
ungesundt ist. Gott sey danck, daß sie sich andern tags beßer
befunden haben undt wider woll wahren! Daß gibt mir wider
hoffnung, daß nichts übels folgen wirdt. Daß Amelis undt Ihr zugleich
schreibt, bedarff gar keine entschuldigung; den Ewere beyde brieffe
seindt mir allezeit ahngenehm. Adieu, liebe Louisse! Seydt
versichert, daß ich Eüch allezeit recht lieb behalte!
Ich bitte Eüch, schickt doch hir beyligenden brieff ahn
monsieur Harling!