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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Paris.[1]
Versaille den 31 December 1705.
Hertzliebe Louise, vergangen sontag habe ich Ewern lieben
brieff vom 18 entpfangen, aber ehe ich drauff antworte, muß ich
Eüch sagen, daß ich seyder weinnachten gantz wie lahm bin. Ich
glaube, ich bin zu viel mitt meinem verstauchten fuß gangen; den
er ist so abscheülich geschwollen, daß ich gar nicht mehr gehen
kan undt die kammer gantz hütten muß, welches eine verdrießlich
sache vor mir ist. Ich fürchte, daß ich noch lang mitt werde zu
thun haben undt dieße zukünfftige reiße wider nicht nach Marly
können. Außer lahm zu sein, befinde ich mich woll; aber es ist
doch trawerig, so eingespert zu sein müßen. Ich dancke Eüch,
liebe Louisse, mein brieff ahn monsieur Harling so woll bestelt zu
haben. Er jammert mich, so ellendt ahm potegram zu sein. Mein
miltz entpfindts woll, daß ich kein exercitzien thun kan; mitt dem
schlimen wetter rast es, alß wens unsinig were. Man hatt hir vor
dießem capernohl auff miltz geschmirt, hatt mir aber nichts
geholffen; die bewegung allein bekompt mir woll. Es ist gewiß, daß wen
daß miltz rast, daß man alßden alles betrübter findt. Die ursachen
machen woll betrübt, aber wen daß miltz nicht tournirt, findt man
trost; tournirt es aber, so kompt einem alles verzweyffelt vor. Es
ist woll war, daß es schwer ist, lustig zu sein, wen man rechte
ursach hatt, übel zufrieden zu sein. Daß die humoren endern, weiß
ich nur gar zu woll durch eygene experientz; aber wen man waß
findt, daß von hertzen lachen macht, so findt sich doch daß miltz
erleichtert. Gott gebe, daß es Eüch offt geschehen möge, ursach
zu finden, von hertzen zu lachen! Ihr thut mir gefallen, liebe
Louisse, historger zu verzehlen; man hatt offt solche distraction
von nöhten. Adieu, liebe Louisse! Da bringt man mir 4 brieffe, so
ich noch heütte beantworten muß; kan derowegen nichts mehr
sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
Elisabeth Charlotte.
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