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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 14 Januari 1706.
Hertzliebe Louisse, ich weiß, wie viel die große fest zu thun
ist bey hoff; nimbt mich also nicht wunder, daß Ihr mich nicht
habt schreiben können. Mein fuß, den ich vertretten hatte, ist
noch nicht heill; er geschwilt noch gar starck des abendts undt
thut mir noch ein wenig wehe. Daß rechte knie auff der andern
seytte ist auch noch nicht heill, thut mir aber nur im knien wehe,
sonst nicht. Es ist war, liebe Louise, daß sich mein miltz gar
nicht woll von dem stetten sitzen befindt undt mich zimblich
nachdenckisch macht. Kopffschmertzen habe ich selten, aber gar offt
miltzwehe. Vor etlichen tagen war mein miltz so dick, daß man
meinen solte, ich hette ein kindtskopff in der seytte; hatt mich
ahm schlaff gehindert. Wie der churfürst undt hertzog Ernst
August mir beschrieben worden sein, glaube ich nicht, daß ma
tante, die fraw churfürstin, mehr geselschafft hatt, wen sie dar
sein, alß wen sie nicht zu hauß sein. Mein vetter, der landtgraff,
hatt mir durch seinen agenten hir part geben laßen von der
erbprintzessin todt. Der könig in Preüssen hatt sein jahr übel
ahngefangen undt übel geendt. Mein vetter, der witwer, muß sich
durch einen andern heüraht trösten. Ich glaube nicht, unter unß
gerett, daß der könig in Preussen zugeben wirdt, daß die printzes
den chronprintz bekompt; den so groß auch I. L. meritten ist, so
schlegt seindt die angen auff der mutter seydt, undt der könig in
Preussen ist hochmüttig, wirdt seinen sohn nicht mißheürahten
wollen. Ich heiß mißheüraht, seine angen nicht zu machen
können. Ich dancke Eüch sehr vor Ewern neüjahrswunsch undt
wünsche Eüch auch alles, waß Ewer hertz begehrt. Ich habe mein
jahr übel geendt undt übel ahngefangen; wie es weytter gehen
wirdt, mag gott wißen. Aber waß Ihr, liebe Louise, woll sicher
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sein kont, ist, daß, es mag mir gehen, wie es will, so werde ich
Eüch von hertzen lieb behalten.