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Brief vom 25. Februar 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


298.


[445]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 25 Februar 1706.
Hertzliebe Amelise, ich habe zwar Ewern lieben brieff vom 9 dießes monts schon vergangenen sambstag entpfangen, allein wie ich schon etlich mahl gesagt, die sontags-post kan ich schwerlich andtworten. Ich schreibe alß große brieff ahn ma tante undt habe 3 ordinarie posten selbigen tag, alß nehmblich Hannover, Madrit undt Luneville ohne waß ich sonst nach Paris zu schreiben habe; den alle tag muß ich 4 brieff nach Paris schreiben. Donnerstags aber habe ich zwey brieff weniger zu schreiben; den den tag geht die post weder in Spanien noch Lotteringen; kan also selbige post allezeit ahn Eüch undt ahn Louisse schreiben, wie ich auch ordinari thue undt heütte wider thun werde. Ihr seydt gar zu obligent, waß ahn mir zu rühmen wollen; allein ich kene mich selber gar zu woll undt weiß, wie wenig rühmenswürdig in mir ist; derowegen lieber von waß anderst sprechen, alß nur zu hören, wie ich sein solte undt nicht bin. Ewer liebes schreiben ist zu eloquent vor mich. Unßer carnaval ist nun verbey, habe mich den letzten tag auch masquiren müßen in meinen alten tagen. Alle meine masquerade war ein grüner taffet; den habe ich auff einen stock mitt einer gabel binden laßen, eine große roß von couleur-de-rose-bandt drauff, der taffet war offen vom kopff ahn biß unter dem magen. In dießen taffet bin ich nein geschloffen mitt meinen kleydern, habe es umb den halß zugebunden undt den stock in die handt genohmen. Man sicht keine figur nicht undt wegen der hohe scheint ich schmahl, es hatt mich also kein mensch kenen können. Den könig [446] machte ich gantz ungedultig; den allemahl, so baldt er mich ahnsahe, beügte ich den stock; daß schiene, alß wen man ihm eine reverentz machte. Der könig wurde endtlich gantz ungedultig undt sagte der duchesse de Bourgogne: Mais qui est donc ce grand masque, qui me salue a tout moment? Sie lachte undt sagte ihm endtlich: C’est Madame. Ich meine, der könig würde sich kranck über meiner masquerade lachen. Ich that ihm aber wider einen poßen. Man nahm mich auff, zu dantzen, ich nahm den könig auff. Der duc de Bery hatte sich possirlich masquirt mitt 3 andern, le Vidame, monsieur de Chevreusse sohn, der printz de Rohan, madame de Vantadour dochterman, undt der junge Seignlay; sie wahren mitt goltstück, goltene masquen, silberne scharpffen, eben wie die goltgeschnitzte geridons sein; hatten lustre auff den haübten undt stelten sich in die 4 ecken vom salon. Monsieur le Dauphin wahr recht possirlich; er war wie eine dame en cornette et andriene, man konte ihn nicht ohne lachen ahnsehen. Es ist eine verdrießlich sach, nahe bey einem bal zu schlaffen; ich weiß, waß es ist. Ich reterirte mich umb 12, wie ordinarie nach bett zu gehen; allein umb 4, wie der bal zum endt ging, biß alles fort war, welches 2 gutter stundt werdt, konte ich ohnmöglich schlaffen. Divertissementen können ma tante, der fraw churfürstin, nichts schaden; den daß hindert, ahn trawerige gedancken zu gedencken, welche I. L. viel gefahrlicher undt schadtlicher sein. Waß schlaffen gehn betriefft, thut die gewohnheit viel dazu. Die sich so sehr zärtlen undt delicattiren, leben nicht langer. Wer mich obligirte, daß bett zu hütten, würde mir gleich kopffwehe undt fieber geben. Viel meinen, es seye artig, sich so delicat zu stellen, undt ich finde es abgeschmackt. Adieu! Ich muß [schließen]; den ich habe noch 6 brieff zu schreiben. Seydt versichert, daß ich Eüch allzeit recht lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Februar 1706 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 445–446
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0298.html
Änderungsstand:
Tintenfass