Seitenbanner

Brief vom 25. März 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


303.


[451]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 25 Mertz 1706.
Hertzliebe Louisse, vergangen sambstag habe ich ma tante, der fraw churfürstin, undt Ewere schreiben auff eine manir entpfangen, alß wen man eine probe geben wolte, waß ich Eüch letztmahl davon geschrieben, nehmblich, daß sie alle geleßen werden; den man bracht mir mein paquet gantz zerißen undt mitt einer kleinen cordel oder bindtsfaden zusamen gebunden. Ich müste drüber lachen, ob es mir gleich nicht gar woll gefiel. Daß so gar schlimme wetter macht mir meinen fuß noch fühlen undt geschwilt noch gegen abendt; ich gehe doch gar woll ohne hincken; ist es aber schön wetter, fühle ich nichts. Ich finde es so gemachlich, sich die stiege auff undt ab zu tragen laßen, daß ich mich noch nicht habe resolviren können, auff undt ab zu steigen undt meinen fuß undt knie zu exerciern. Wens warmer wirdt werden, will ichs beßer machen. Wen der mylor Lincoln seine nahmen geprononcirt hette, wie Ihr ihn, lieb Louisse, schreibt, so würde einsmahls ein leibguarde von Monsieur zu St Clou nicht geantwort haben, wie er that. Es war umb[1] sommer umb halb 10 abendt, wir wahren ahm fenster, Monsieur undt ich, undt wartten, daß man ahngericht hatte, umb zu nacht zu eßen. Auff einen stutz sehen wir eine kutzsch mitt 6 pferden daher kommen undt einen man außsteygen. Monsieur rieff: Qui est ce cela, qui arive? Ein guarde andtwortet: Ma foy, Monsieur, je n’ose le dire a V.A. royale. Monsieur sagte: Quelle sotisse! Je veux savoir, qui s’est. Der guarde sagte: He bien, Monsieur, puisque vous le voulles savoir, son nom est vne sotisse; car il y a du con en son nom. Ich meinte, Monsieur würde sich todt lachen. In dem kompt der monsieur Lincoln, so übel frantzösch sprach, in den salon undt fengt ahn: Monser, vostre atesse reale trouve, que moy vient tard, mais ce que moy a cheval neuff, qui prende mortaudent, c’est enfuy; moy ly cherches dans sti bois di Boulogne et moy pences mourir cent fois; enfin mon chival trouves, moy suis venus rendres respect. Ihr kont woll glauben, daß daß lachen mitt dießem schönnen discours nicht auffhorte. Es kan der [452] nicht sein, von welchem Ihr sprecht, weillen der ein junger mensch ist. Er[2] betrigt Eüch nicht in waß Ihr vom conte de Lamarq glaubt, den von seiner zartten jugendt ahn hatt er vor malicieux passirt undt von seiner eygen mutter übel gerett. Er war in seiner ersten jugendt sehr heßlich; weiß nicht, wie er nun ist. Sein bruder klagt, daß er zu viel spilt. Er konte woll zehlen; den sein herr bruder hatt mir gesagt, er habe ihm kürtzlich 4000 thaller geschickt; kan also seine 300 ducatten woll bezahlen. Es ist betrübt, gutte undt trewe freünden adieu zu sachen, wen man nicht weiß, wen man einander wider sehen wirdt; kan also leicht begreifen, wie schwer es Eüch sein muß, liebe Louise, die fraw von Degenfelt mitt ihren tochtern weg zu ziehen sehen. Wer von natur tendre ist, kan nicht indifferent werden, undt wen mans schon konte, wolte man sich doch nicht endern, weillen es von einem gutten gemühte herkompt. Ma tante hatte mir schon die andere post alles verzehlt, wie es mitt dem brandt zugangen. Ich bin fro, daß I. L. nicht gewust, in welche gefahr printz Ernst August geweßen. Gott seye danck, daß I. L. so glücklich davon komen sein! Daß würde ma tante geängstiget haben, wehren nachts auffgestanden undt daß hette vielleicht ahn dero gesundtheit geschadt. Ich fürchte, daß der churprintzes kindt den schrecken woll entpfinden wirdt. Wens nur mitt keine gichter auff die weldt kompt! Es fehlt nie in solchen fällen, es kompt alß etwaß possirliches dabey, so lachen macht. Ihr habt daß jugement, wie ich sehe, nicht in der gefahr verlohren, daß Ihr Ewere sachen gepackt undt in die statt geschickt habt. Meines bruders gemahlin hatt mir der Bernstein heüraht schreiben laßen. Bonicau[3] ist der Leßschenbrand ihr neueu. Ich habe 3 Bonicau hir gesehen, weiß aber nicht, ob dießer, den die Bernstein geheüraht, einer von denen ist. Adieu, liebe Louisse! Ich will ahn Amelisse andtwortten, nachdem ich Eüch versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
[453]
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. März 1706 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 451–453
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0303.html
Änderungsstand:
Tintenfass