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Brief vom 11. April 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


306.


[454]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hanover.

Versaille den 11 April 1706.
Hertzliebe Louisse, vergangen donnerstag schriebe ich einen so unerhörten langen brieff ahn I. L. die churfürstin, daß ich ohnmöglich ahn Eüch noch ahn Amelisse andtwortten konte; werde es derowegen heütte thun. Die posten gehen abscheülich unrichtig, machen mich recht ungedultig. Mein husten ist, gott sey danck, lang weg; habe ihn mitt nichts, alß waßer drincken, courirt. Ich kan keine milch vertragen, drumb kan ich kein posset drincken; die milch wirdt mir gleich zu käß im magen. Seyder 14 tagen haben wir hir daß schönste frühlingswetter von der welt; man macht kein fewer mehr im camin undt die fenster bleiben offen biß umb 11 uhren nachts; es ist recht warm, daß man schwitzt. Daß kan nicht so dawern; ich forchte sehr, es solle noch ein frost kommen; [455] were woll schadt, den alles ist grün undt alle hecken in blüdt; man sagt auch, die nachtigalle laß sich schon hören. Man meint hir im landt, daß, wen pirlen sich bey einer schwangern frawen ahnmelt undt sie dabey schwanger bleibt, wie es mitt der churprintzes von Hannover gangen, daß sie ohnfehlbar mitt einem sohn schwanger geht. Es ist viel, daß der churprintz sein unrecht erkendt, undt es ist woll loblich ahn ihm, sich zu corigiren. Mein gott, wo kompt dießes printzen hochmuht her? Mag nur ahn seine mutter gedencken, wie auch ahn seine großmutter von mutter seytten, so wirdt er ursach genung zur demutt finden. Ihr sagt woll, daß graff Brockdorf sich heüraht, aber nicht, wen er nimbt. Ist es vielleicht auch ein mißheüraht, so in Teütschlandt jetzt auch so gemein werden? Wir werden nun baldt eine princes de Tarante hir sehen, so deren, so Ihr gekandt habt, in nichts gleichen kan. Ihre großmutter ist schlegte camermagt gewest bey einer simplen dame. Ich habe meinem vettern de Latrimouille meine meinung teütsch herauß drüber gesagt. Er andtwort aber, es seye ja in Franckreich der brauch, nach keine ahngen zu sehen, undt er hette große schulden, also reichtum von nöhten undt mademoiselle de Lafayete were gar reich. Wie ich gesehen, daß es nicht mehr zu endern stehet, habe ich nichts mehr dagegen gesagt. Ich finde die glücklich, so reißen dorffen undt hingehen können, wo sie wollen. Were es mir erlaubt, wie den graffen von Bruckdorf, würde ich baldt in Lotheringen undt von dar nach Hannover. Aber daß kan leyder nicht geschehen, muß mich also nur contentiren, Eüch die woch einmahl zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. April 1706 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 454–455
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0306.html
Änderungsstand:
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