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Brief vom 13. Mai 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


311.


[459]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 13 May 1706.
Hertzliebe Amelisse, Louisse hatt mir geschrieben gehabt, daß Ihr mitt von der braunsweigische reiß geweßen seydt; drumb hatt es mich nicht frembt genohmen, kein schreiben letzte post von Eüch zu bekommen. In engen kutschen ist nichts ungemächlicher, alß ein estrapontin. Ich sehe, daß Ihrs in reißen macht wie ich, nehmblich braff in der kutsch zu schlaffen; daß kan ich unmöglich laßen; ma tante schläfft selten in kutsch. Wer saß den gegenüber ma tante, daß Ihr auff dem estrapontin wahret? Hertzen[1] Anthon Ulrich ist der beste herr von der welt undt hatt ma tante, die fraw churfürstin, allezeit hertzlich lieb gehabt; wundert mich alßo nicht, daß [460] I. L. fro geweßen, ma tante nach 15 jahren wider zu sehen. Drumb habe ich den gutten hertzog lieb, weillen er so viel affection vor ma tante hatt. Es kan leicht sein, daß dießer hertzog viel frantzöß silbergeschir hatt; den er ist lang gutt frantzösch geweßen, da mag er woll viel pressenten bekommen haben. Ma tante ist auch sehr content von alles, waß sie im Salsthal[2] gesehen. Unßers königs contrefait, wo es gleicht, werdet Ihr gutte minen gesehen haben, welches unßer könig noch über alle menschen hatt. Der ertzhertzog muß erst auß Barcelonne sein, ehe I. L. die schonne princes bekommen. Vor jenner weldt, wer woll lebt, hatt hoffnung, seelig zu sterben; aber in dießer weldt, wer nichts hatt, muß hungers sterben, undt daß ist keine gutte sach. Ich habe allezeit gehört, daß man gar höfflich ahm wolffenbüttelischen hoff ist. Zu oncle s. zeitten war man es auch zu Hannover undt dadurch haben sich die herrn bey gantzer weldt beliebt gemacht. Ich höre aber nicht, daß der itzige churfürst noch hertzog Ernst August in dieß fustapffen tretten; es wirdt ihnen mitt der zeit gerewen. Ihr habt gar woll gethan, dem adel nicht zu cediren. Der churfürst thut sich selber tord, wen er Eüch den adel vorzicht; den wie er es auch macht, so kan er doch nicht hindern, daß Ihr nicht geschwisterkindt mitt ihm seydt; also beschimpfft er sich selber, wen er Eüch beschimpfft, undt man wirdt sehen, daß er sich von adlichen personnen gouverniren lest, wen er den reichsgraffen ihr recht nicht gibt. Es ist leyder nur alzu war, daß meines brudern s. gemahlin gestorben. Ich habe I. L. woll von hertzen beweindt. So lang ich in Franckreich, haben wir einander allezeit geschrieben, aber mitt dem churfürsten von Braunsweig habe ich kein commerse. Aber der churfürst wirdt woll schon sehen, waß ich Eüch schreibe undt Ihr mir; den ich bin persuadirt, daß man unßere brieffe zu Hannover lest wie hir. Ich glaube, ich werde mein leben nicht auß trawer kommen; den da bin ich ja nun wider vor 6 mont in trawer. So baldt es apropo kan kommen, werde ich woll ahn ma tante waß von Ewern rang melden; aber wie schon gesagt, so wirdts der churfürst schon in dießem brieff gesehen haben. Wie kan eine Pfältzerin so frech sein undt begehren, vor Eüch undt Louisse zu gehen? Daß nimbt mich frembt. Haben sie den vergeßen, wer Ihr seydt undt wer I. G. unßer herr vatter geweßen? Haben sie den schon den respect vergeßen, so sie ihrem [461] landtsherren schuldig sein? Daß seindt keine albertetten, sondern raisonable sachen. Adieu, hertzliebe Amelise! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb [behalte]!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. Mai 1706 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 459–461
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0311.html
Änderungsstand:
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