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Brief vom 20. Mai 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


312.


[461]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 20 May 1706.
Hertzlieb Amelisse, es were woll ohnnohtig zu schreiben, wen kein post geht. Ich müste den kopff kurtz aufgesetzt haben, wen ich böß solte werden, wen man eine post ist, ohne mir zu schreiben. Ihr wolt, wie ich sehe, liebe Amelisse, den himmel durch demuht gewinnen, daß Ihr Eüch eine nichtswürtige scheldt. Der landtgraff jammert mich, so untrostbar über seine gemahlin zu sein; daß ist etwaß rars. Ist es möglich, daß Ihr glaubt, daß unßer junger könig in Engellandt ein falsch kindt undt nicht der königin sohn ist? Da wolt ich woll mein kopff zu pfandt vor setzen, daß er daß rechte kindt ist. Erstlich so gleicht er seiner fraw mutter, der königin, wie zwey tropffen waßer; zum andern so ist eine dame bey seiner geburt geweßen, die der königin gar nicht gutt ist, aber umb der bloßen warheit hatt sie mir verzehlt, daß sie expresse da geweßen, umb alles woll in acht zu nehmen, hatt daß kindt ahn der nabelschnur gehefft gesehen undt kan nicht zweyfflen, daß es nicht der königin sohn ist. Die Engländer gehen doll genung mitt ihre könige umb, umb nicht frembt zu nehmen sollen, daß man kein empressement genung hatt, ihr könig zu werden. Ma tante hatt groß recht, zu glauben, daß diß kindt der rechte erb ist. Es were eben so ein groß übel, einen rechtmäßigen erben vor ein vertauscht kindt zu halten wollen auß partialitet, alß wen man ein kindt vertauscht hette; den eines undt anders übel bestehet nur in der ungerechtigkeit, die geschicht. Pfaffen seindt leütte wie andere menschen; worunter viel gutte undt viel boße sein. Wen der keyßer die keyßerin recht lieb hette, wirdt er schon hütten, daß I. K. M. nichts übels geschicht. Niemandts kan beßer wißen, obs war ist, daß die frantzosche hebame die keyßerin die mutter versehret hatt, alß die keyßerin selber; aber ich habe [462] all mein leben sagen hören, daß man mitt einer versehrten mutter nicht leben kan; sie were all lengst todt, wen daß were. Daß alle unßere brieff geleßen werden, daß ist gar sicher; aber ein jedes sagt, waß es denckt. In Lotteringen hatt man auch eine wurst. Hir ist man zu gravitetisch, es ging nicht ahn. Etwetter hatt man hir, daß alles drunter undt drüber ohne messure geht, oder eine steiffe gravitet. Adieu, hertzliebe Amelise! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Mai 1706 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 461–462
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0312.html
Änderungsstand:
Tintenfass