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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Paris[1]
Versaille den 14 October 1706 umb 9 abendts.
Hertzallerliebe Louisse, ich habe dießen nachmittag Ewern
lieben brieff vom 5 zu recht entpfangen. In dießem augenblick
bekomme ich auch brieff von meinem sohn, von seinem docktor,
balbirer undt geweßenen precepter. Er ist, gott seye ewig danck,
so woll, daß er kein pflaster mehr in der seytten tregt, undt seine
finger ahn der bößen handt fengt er wider ahn zu rühren, ist in
volkommener gesundtheit, ist woll, schlefft woll undt geht alle tag
2 stundt spatziren. Ich finde, daß er nur gar zu woll ist; den so baldt
er wider wirdt reytten können, wirdt er wider zur armée undt zu
felt gehen. Gott weiß, waß ihm weitter begegenen wirdt. Daß setzt
kein gutt geblütt bey mir. Ich weiß woll, daß man ihn schon
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überall todt gesagt; zu Paris ging daß verfluchte geschrey auch;
ich erfuhrs, wie ich schon brieff hatte, hatt mich also nicht
erschreckt. Ich bin Eüch undt Amelisse recht verobligirt, meinen
sohn beweint zu haben. Mein sohn hatt nichts von seinem
esquipage verlohren; ob er bar gelt verlohren, weiß ich nicht. Daß der
könig viel gelt verlohren, ist gewiß. Mein sohn thut die gantze
campagne auff seinen kosten, niemandt gibt ihm keinen heller dazu.
Freüllen Pelnitz wirdt sie ihre charge widerbekommen undt bey
der cronprintzessin sein? kompt deßwegen vielleicht nach Hannover?
Ich kene mylord Raby; aber wie ich hir von ihm gehört, so wirdt
er sich woll seiner metres untreü mitt dem ersten pagen, den er
hübsch finden wirdt, trösten. Adieu, hertzliebe Louisse! Seydt
versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!